piwik no script img

Berliner heiraten späterHeiraten ist was für Senioren

Der sichere Hafen der Ehe interessiert immer weniger junge Berliner. Sogar die katholische Kirche warnt: Auch wenn ein Kind unterwegs ist, nichts überstürzen.

Ehe später Bild: dpa

Die Berliner heiraten immer später. Männer das erste Mal mit 34,4 Jahren, Frauen mit 31,6 Jahren. Das geht aus dem Statistischen Jahrbuch Berlins hervor, das am Donnerstag vorgestellt wurde. Demnach liegen BerlinerInnen knapp ein Jahr über dem Bundesschnitt.

Jung heiraten in Berlin vor allem Frauen, noch bis zum 25. Lebensjahr sind in jeder Altersstufe mindestens doppelt so viele Frauen wie Männer bereits verheiratet. Es gibt sogar eine 14- und eine 15-Jährige, die nach deutschem Recht legitim verheiratet sind.

Wolfram Schröder von der Berliner Standesamtsaufsicht sagt: "Wenn die Ehe im Ausland ohne Beteiligung eines deutschen Partners korrekt geschlossen wurde, hat der Standesbeamte keinen Spielraum." Dass Heiraten in so jungen Jahren eine gute Idee ist, bezweifeln vermutlich vor allem die fünf BerlinerInnen, die laut Statistik mit 19 Jahren bereits geschieden sind.

Die katholische Kirche, die mutmaßlich ehefreundlichste Institution Deutschlands, sieht den Trend ganz entspannt. Stefan Förner vom Erzbistum Berlin sagt: "Von überstürzten Hochzeiten würden wir sowieso abraten. Sei es wegen der Steuer oder sogar auch, wenn ein Kind unterwegs ist. Man sollte sich die Zeit nehmen, zu prüfen, ob man sich wirklich ewig binden will."

Das denken sich wohl auch viele Berlinerinnen. Bei 48,6 Prozent der im Jahr 2008 geborenen Kinder waren die Eltern nicht verheiratet. 1992 war das noch bei 29,2 Prozent der Kinder der Fall. Deutschlandweit sind es zum Vergleich nur 32 Prozent, in Westdeutschland ohne Berlin sogar nur 26 Prozent.

Was macht die Ehe so unattraktiv für junge Menschen? Anja Kofbinger, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, sagt: "Die Notwendigkeit der Versorgung ist einfach nicht mehr gegeben, Frauen sind mittlerweile ökonomisch unabhängiger. Zudem kommen auch die Kinder später, die ja immer ein Grund zum Heiraten waren." Nicht einmal für gleichgeschlechtliche Partner sei eine Hochzeit sonderlich attraktiv, meint Kofbinger. "Es gibt kein Ehegattensplitting, und als Paar ein Kind zu adoptieren, ist auch nicht möglich." Dennoch ist die Zahl der Eheschließungen insgesamt über alle Altersgruppen in Berlin seit 2004 relativ gleich geblieben. Am häufigsten geheiratet wurde im letzten Jahr in Charlottenburg-Wilmersdorf, 1.671 Ehen wurden hier geschlossen, dicht gefolgt von Mitte mit 1.580. In den Bezirke Spandau, Lichtenberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf trifft man weniger "Ja"-Sager. Hier werden nicht einmal halb so viele Ehen eingegangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare