Berliner Wahlkampf: Die Zukunft ist nicht schwarz
Sollen sich die Grünen eine Koalition mit der CDU nach der Wahl 2011 offenhalten, wie das Renate Künast fordert? Das will niemand, sagen Parteilinke.
Die grüne Schattenkandidatin Renate Künast sondiert die Koalitionsoptionen nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2011 - und schreckt den linken Parteiflügel auf. Man werde keinen Wahlkampf führen, bei dem "die CDU als denkbarer Partner von vornherein ausfällt", hatte Künast am Wochenende verkündet. Die SPD sei Favorit, ein "Blankoscheck" gebe es aber nicht.
"Ich wüsste nicht, wie wir mit der CDU die Stadt vorwärtsbringen könnten", sagte die Kreuzberger Grüne Heidi Kosche am Montag der taz. Gemeinsame Schnittmengen gebe es "fast keine": Bei der A 100, bei Bildung und Gesundheit liege man völlig konträr. "Künasts Vorstoß dürfte reine Taktik sein", vermutet Kosche. Auch Monika Herrmann, grüne Jugendstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, wertet die Aussage "strategisch, damit die SPD nicht übermütig wird, weil sie glaubt, wir haben keine andere Wahl". Die Umfragen zeigten das Gegenteil. Laut Forsa kommen die Grünen auf 30 Prozent, die SPD auf 26 Prozent.
Künast wird bereits seit einem Jahr als potenzielle Spitzenkandidatin gehandelt und will sich bis Jahresende festlegen. Sie hatte nichtsdestotrotz angekündigt, nur mit einem "offenen Wahlkampf" verhandlungsfähig bleiben zu können. Grünen-Innenpolitiker Dirk Behrendt hält das für richtig. "Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es in der Berliner Wähler- und Mitgliederschaft viele grün-schwarze Fans gibt." Gerade die CDU-Grünen-Koalition in Hamburg wirke "abschreckend", so Behrendt. In Berlin gebe es in der Innenpolitik zwei "völlig andere Tonlagen".
Künasts Vorstoß weckt beim linken Flügel auch Furcht vor einem aufgeweichten grünen Wahlprogramm, um sich als Volkspartei zu profilieren. "Was wir für richtig halten, sollten wir klar aussprechen", so Kosche. Auch Behrendt warnt vor "verwaschenen Positionen". So müsse man in der Verkehrspolitik klar für Radfahrer und öffentlichen Nahverkehr eintreten und dürfe nicht vor Einschränkungen für Autofahrer zurückschrecken.
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann relativiert dagegen die Diskussion: "Wir haben schon immer gesagt, dass wir einen eigenständigen Wahlkampf führen, nichts im Vorfeld ausschließen." Das gelte umso mehr, da Wowereit bisher eine Juniorpartnerschaft unter den Grünen verweigere. Dass sich Künast zum Berliner Wahlkampf äußere, sei ihr "normales Recht" als Berliner Bundestagsabgeordnete.
Auch Grünen-Urgestein Christian Ströbele findet es "unklug und nicht der Lage entsprechend", würde sich seine Partei auf die SPD als Koalitionspartner festlegen. Die Grünen sollten in Berlin auf die Chance setzen, stärkste Partei zu werden. Nach dem, was die Union derzeit so treibe, sehe er aber kein grün-schwarzes Bündnis.
Die CDU funkt dagegen zurück. Künast habe "was Sympathisches und Frisches", sagt CDU-Landeschef Frank Henkel. Erst kürzlich hatte CDU-Vorstand Thomas Heilmann mit der grünen Fraktionschefin Ramona Pop ein gemeinsames Integrationspapier in der taz veröffentlicht. Die aktuelle Debatte hält Henkel aber für "unseriös". "Die Grünen wissen doch weder, wer für sie antritt, noch für welche Inhalte sie stehen." Sei dies bekannt, würden sich deren aktuelle Umfragewerte noch "ernüchtern". "Erst entscheidet der Wähler, dann entscheiden die Inhalte", erklärte Henkel. Auch die CDU schließe keine Koalition außer mit der Linken aus.
Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer unterstützt Künasts Kurs. "Die Grünen sollten klare Prioritäten setzen. In einem Fünfparteiensystem wäre es aber gefährlich, sich zu einseitig festzulegen." Eine grün-schwarze Koalition sei schwierig, aber nicht unmöglich. Der Grünen-Wähler sei zudem äußerst heterogen, so Niedermayer. Mit Künasts Vorstoß steige nun die Erwartung an ihre Kandidatur weiter. "Wenn Künast jetzt nicht antritt, würde das sie und die Grünen sehr beschädigen", ist Niedermayer sicher.
PLUTONIA PLARRE, KONRAD LITSCHKO
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