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Berliner TagebuchWas wirklich los ist

■ Berlin vor der Befreiung: 20. März 1945

Foto: J. Chaldej/Voller Ernst

Es ist wieder einmal Alarm, früh um 1/2 10 h, sonst würde ich eifrig an einem heute abzuliefernden Artikel tippen; so ist er samt Schreibmaschine bei den Sachen, die mit mir in den Keller gehen. Seit gestern bin ich ohne Gas; weiter unten im Haus brennt es; bis zu mir herauf reicht der Druck nicht; ich behelfe mich in Ermanglung einer Kochplatte mit dem flachgelegten Elektro-Öfchen. – Vorgestern rief Sethe an und ermunterte mich, Berlin zu verlassen; ich sagte: ich müsse lachen, wie viele meiner männlichen Freunde versuchen, mich zum Weggehen zu bewegen. Er sagte, er frage sich, ob das darauf beruhe, daß die Männer feig sind oder daß sie klarer sehen. Ich sagte, ich sei oft genug geneigt, das erstere zu denken, worauf wir beide lachten. Dies Gespräch fiel in eine Zeit, in der ich mir, wenn ich so meine Gänge mache, immer wieder wünschte, einmal einen Mann zu treffen, der mir imponiert. Vielleicht sind sie alle im Feld. Oder in Kreisen, mit denen ich keine Fühlung habe. – Die Flugzeuge gehen offenbar auf Sachsen, also werde ich mich nun an meinen Artikel begeben. Sonntag abend wurden mir von 2 Luftschutzleuten 3 Monate Gefängnis angekündigt, weil ich 35 Min. nach Ertönen der Sirene noch in meiner Wohnung angetroffen wurde. Margret Bovari

Aus: „Tage des Überlebens“, Piper Verlag 1968. Die Journalistin Margret Bovari (1900–1975) arbeitete für die Zeitung „Das Reich“, schrieb dort noch am 22. 4. 45 „Ein Feind Deutschlands – Zum Tode Roosevelts“.

Recherche: Jürgen Karwelat

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