Berliner Szenen: Das Klo
Schlechtes Gewissen
Mein Wannenabfluss ist verstopft. Noch nicht komplett, aber schon irgendwie; das Wasser läuft langsamer ab, als es soll. Der Handwerker hatte mir das beim Einzug in meine Wohnung hatte so erklärt: „Wenn das Wasser schneller raus ist als rein, ist alles juti.“ Zwei Jahre ist das jetzt her, aber gemerkt hab ich’s mir trotzdem. ‚Ne richtig wertvolle Information fand ich das.
Und dann hat er noch was gesagt, was ich nicht so wertvoll fand. Im Gegenteil: Ich wollt das nicht wissen, und weil ich’s jetzt doch aber weiß, geht’s mir nicht gut. „Letztens“, hatte er noch gesagt, „hab ich auch schon ein Klobecken gewechselt. Bei so ’ner alten Dame war das, und so sauber war das Klo … Unglaublich sauber! Wie neu! Und das nach fast zwanzig Jahren.“
Ich wünsch mir echt, er hätte mir das nicht erzählt. So’ne Info bleibt kleben im Hirn. Jedes Mal, wenn ich in mein Klobecken schau und es sieht nicht unglaublich sauber aus, selbst wenn geputzt, krieg ich ein voll schlechtes Gewissen.
Seit zwei Jahren hab ich jetzt schon ein schlechtes Gewissen, und wenn ich meine Hausverwaltung nun anruf wegen meiner Wanne und die genau denselben Handwerker schickt und der dann sieht, dass mein Klo nach grad mal zwei Jahren nicht so neu wie das der alten Dame nach zwanzig… Nee!
Ich krieg das auch so hin, denk ich, und leg den Telefonhörer wieder auf. So doll ist der Abfluss ja nun auch nicht verstopft; ich steh da nur ein ganz kleines bisschen im Wasser, und das auch nur, wenn ich lang dusche. Vielleicht dusch ich jetzt einfach nicht mehr lang. Oder gar nicht mehr.
Aber dann werd ich doch wieder vernünftig und ruf an. „Also, meine Wanne“, fang ich ganz normal an, kann mich dann aber doch nicht beherrschen. „Mit wie vielen verschiedenen Handwerksfirmen arbeiten Sie eigentlich zusammen?“
Joey Juschka
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