Berliner Szenen: Pädagogisch wertvoll
Im Fäkaltheater
Am Freitagnachmittag sehe ich in der Kita meiner dreijährigen Tochter ein Plakat, das für eine Puppentheateraufführung wirbt. Die Homepage der Gruppe wirkt professionell: Neben den Stückbeschreibungen findet sich unter der Überschrift „Eltern und Lehrer“ ein Text, warum die Stücke auch für kleinere Kinder pädagogisch wertvoll sind.
An der Kasse zucke ich zusammen: 10 Euro pro Person, keine Ermäßigungen. Ich zahle zähneknirschend. Im Aufführungszelt ist neben der Bühne ein kleiner Stand mit Popcorn, Softeis, Schokolade und Coca-Cola aufgebaut. Als das Stück beginnt, guckt meine Tochter nur auf die Popcorn essenden Jungs neben uns und quengelt: „Ich will auch!“ Erst als eine Hundehandpuppe laute Blähgeräusche macht, folgt sie dem Bühnengeschehen. Die Verdauungsprobleme der Hundepuppe treffen ihren Humor: Sie muss immer wieder laut lachen. Auch die Jungs neben uns hören auf, lautstark Popcorn zu kauen, und johlen: „Pippi, Kacka, Pups!“ Ich aber komme nicht in das Stück rein. War das gerade der zehnte Fäkalwitz? Wovon soll dieses Stück bloß handeln? Ich werfe einen Blick in Richtung der anderen Eltern. Eine Mutter scrollt auf dem Smartphone durch ihre Facebook-Timeline, ein Vater liest Pushnachrichten von Spiegel Online.
Nach 30 Minuten ist Pause. Die anderen Eltern gehen mit ihren Kindern zum Süßigkeitenstand. Mein Freund zischt: „Lass uns gehen!“ Vor dem Zelt sage ich: „Lass uns doch noch das Ende abwarten.“ Mein Freund schüttelt den Kopf: „Das wird doch nicht besser. Eine halbe Stunde Verblödungsinput reicht.“ Ich frage unsere Tochter: „Willst du noch bleiben?“ Sie schüttelt vehement mit dem Kopf. Zu Hause angekommen, fragt sie hingegen als Erstes: „Gehen wir nächste Woche wieder ins Theater? Pippi, Kacka, Pups gucken?“ Eva-Lena Lörzer
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