Berliner Szenen: Peinliche Quittungen
Absatzwahn
„Kannst du das von der Steuer absetzen?“ Mein Berlin-Besuch hält mir ’ne Quittung hin. „Hab ich am Bahnhof gekauft. ’ne Zeitschrift.“
„Klar“, sag ich. „Fachliteratur.“ – „Sudoku?“ – „Oh.“ Ich überlege. Bisschen schwierig. Aber geht schon: Recherche. „Ich schreib einfach wen rein in mein Buch, der gern Sudoku spielt.“
„Meinste, das geht?“ – „Klar.“
Sie schaut mich zweifelnd an, aber ich hab plötzlich Blut geleckt. Ich zieh mein Portemonnaie raus, kram es durch. „Da“, sag ich. „Plastiktüte, 20 Cent. Mordwaffe! Auch Recherche.“ – „Ich dachte, das wird kein Krimi.“ – „Wird es auch nicht. Aber es gibt da ’ne Stelle, wo einer echt wütend ist. Und da überlegt er vielleicht …“ – „Mensch, Joey!“, sagt meine Bekannte. „Nicht?“, frag ich. „Nee“, sagt sie. „Muss schon echt was zu tun haben mit deinem Buch.“
„Oh“, sage ich und überlege dann, was wirklich, wirklich was zu tun hat mit meinem Buch. Was Teures am besten, damit es sich lohnt, nicht so läppische 20 Cent.
„Ein Dildo!“ – „Ein was?“ – „Weißt schon“, sag ich. „Ja, klar“, sagt meine Bekannte. „Aber –“ – „Was aber?“ – „Ist dir das nicht peinlich?“ – „Was ist daran peinlich?“ – „Na, wenn der beim Finanzamt das dann liest …“
„Was soll dann sein?“, frag ich und denk an den Businessantrag, den ich vor zehn Jahren oder so glatt durchgekriegt hab beim Amt. Schon damals Dildo; Texte und Show und damit erfolgreich in die Selbstständigkeit. Hat zwar nicht ganz so geklappt, aber peinlich war mir der Antrag beim Schreiben und Durchsprechen mit dem Bearbeiter nicht. Im Gegenteil: Super fand ich das Ganze, und vor grade mal ein paar Tagen, als ich das alte Zeugs entdeckt hab beim Aufräumen, erst recht.
„Komm“, sag ich zu ihr. „Wir gehen jetzt zu mir und lesen peinliche Sachen. Ich spendier dir auch den Fahrschein; den setz ich dann ab.“ Joey Juschka
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