Berliner Szenen: Urlaubsstimmung
Zurück in Berlin
Urlaubsstimmung, das ist bei mir, wenn ich nach Berlin zurückkehre. Ich bringe sie aus dem Urlaub mit. Die Frage ist jedes Mal, wie lange sie wohl anhält. Die Stadt sehe ich dann mit neuen Augen.
Ich fahre sanft Rad, als würde ich mit einem Boot über einen See treiben. Auf dem Weg zur Arbeit sehe ich nur Menschen, die mir sympathisch erscheinen, und die AutofahrerInnen, die zu dicht an mir vorbeifahren, stören mich nicht. Ich nehme sie kaum wahr, denn im Kopf habe ich noch die Reisebilder: Ich sehe Wälder und Berge, ich kann das Meer riechen und über lustige Momente lachen.
Ich bin so freundlich zu der Mitarbeiterin meiner Postfiliale, dass sie sogar Witze macht. Und als wir uns mit „Schönen Tag!“ verabschieden, scheint das von Herzen zu kommen. „Wo warst du?“, fragt der Späti-Verkäufer. „Schön, dich zu sehen“, grüßt der Nachbar.
Doch nach einigen Tagen merke ich, wie mir Schimpfwörter in den Sinn kommen, wenn Rechtsabbieger abbiegen, ohne auf FußgängerInnen oder RadlerInnen zu warten, und dann weiß ich, dass es vorbei mit der Urlaubsstimmung ist.
In der U7 ärgere ich mich, wenn Leute sich aufregen, weil Straßenmusiker „Bésame mucho“ oder „Bamboleiro“ spielen. Oder wenn sie sich keinen Zentimeter bewegen, wenn man an ihnen vorbeigehen möchte; dahin, wo es etwas luftiger ist. Und dann verdrehen sie noch die Augen, weil man sich ausgerechnet dort hinsetzen will, wo ihre Taschen sitzen.
Da sind sie wieder, die kritischen Blicke, die darauf zu warten scheinen, dass man etwas Falsches macht. Die Menschen, die man ignoriert, und diejenigen, die uns ignorieren. Kaputte Menschen und Großstadtzombies überall.
Dann will ich aufbrechen, um zurückzukommen und Berlin wieder schön zu finden.
Luciana Ferrando
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