Berliner Szenen: Mehr Farbe für die Welt
Buntes Wesen
An einem sonnigen Freitagmorgen kommt eine undefinierbare Kunstfigur mit buntem Stofffetzenkostüm, kürbisartiger orangener Maske und einem orangenen Stoffbeutel mit dem Slogan: „Be a part of Tate“ aus der Peek-&-Cloppenburg-Filiale in der Wilmersdorfer Straße. Eine Frau mit Kopftuch, die am Straßenrand sitzt, lächelt. Die Kunstfigur winkt ihr zu.
Ein kleines dunkelhäutiges Mädchen an der Hand seiner Mutter fragt die Figur auf Englisch: „Warum bist du so angezogen?“ Sie antwortet: „Weil es so schön bunt ist.“ Das kleine Mädchen nickt zustimmend und sagt: Ja, rot und gelb und grün und orange.“ Es sieht das Kostüm genauer an und sagt: „Aber ich kann deine Hand nicht sehen!“ Das Wesen streckt ihr die Hand hin. Das Mädchen lächelt zufrieden und beginnt, Luftsprünge zu machen.
Die Figur geht in den U-Bahn-Schacht runter. Auf der Treppe erschrecken sich zwei entgegenkommende Mädchen so über ihren Anblick, dass sie laut aufschreien. Meine U-Bahn fährt ein. Das Wesen betritt den gleichen Waggon. In der Bahn fragt ein Jugendlicher das Wesen, ob er ein Selfie mit ihm machen darf.
Die beiden machen ein Foto und er sagt: „Berlin ist schön, ne?“ und fragt dann: „Bist du Berlinerin?“ Die Figur schüttelt den Kopf: „Ich bin aus Dresden. Kennst du Dresden?“ Er sieht sie unsicher an. „Ja, mein Bruder wohnt da. Schöne Stadt, aber viele Nazis, oder?“ Die Figur nickt. Er sagt erleichtert: „Dann merken Sie das also auch.“
Dann sagt er: „Als ich einmal da war, hat einer gesagt: Deine Haare sind schwarz. Da wusste ich nicht, was sagen.“ Dann fragt er das Wesen: „Warum sind Sie so angezogen?“ Es antwortet: „Ich fand, die Welt braucht mehr Farbe.“
Er guckt etwas irritiert und fragt dann: „Und haben Sie das Outfit selber gemacht?“ Das Wesen nickt. Er sagt: „Komisch. Aber schön.“ Eva-Lena Lörzer
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