piwik no script img

Berliner SzenenSpeed-Dating

Im Fetisch-Club

Die Jungs tragen tadellos gebügelte weiße Hemden

Zum Mittagessen treffe ich mich heute mit einer Kollegin im kleinen Café gegenüber der taz. Da kann man draußen Pizza essen. Der Laden ist gut besucht. Wir finden noch Plätze an einem Tisch, an dem bereits zwei junge Männer auf ihr Essen warten. „Oh, das nennt man dann Speed-Dating“, grinst der eine, als wir uns ihnen gegenüber hinsetzen. Sie sind mindestens zehn Jahre jünger, tragen tadellos gebügelte weiße Hemden und akkurat geschnittene Haare.

Während wir auf unser Essen warten, reden wir über Dienstliches, die Kollegin und ich. Dann kommen zwei Salami-Pizzas für die Jungs. „Wer kriegt die längere?“, fragt die Bedienung. Ich betrachte irritiert die beiden identischen Pizzas. „Gibt’s da einen Unterschied?“, frage ich dann vorsichtig. „Meine war länger im Ofen. Ich mag das gerne etwas krosser“, kommt die Antwort von der anderen Tischseite. Ich sehe da keinen Unterschied und sage das auch. „Doch, die ist viel dunkler am Rand“, widerspricht die Kollegin. „Ah, ich hatte schon wieder Diskriminierungen wegen meiner Herkunft befürchtet“, sagt der Krosse. Irgendwie ganz charmant, der Typ. Und dann hat er noch dieses sexy umgeklappte Ohr. Ich konzentriere mich wieder auf mein Gespräch und darauf, nicht den beiden Männern zuzuhören. Wir sind gerade bei einem richtig ernsten Thema, als das Wort „Fetisch“ fällt. Jetzt wird das mit dem Weghören schwierig.„Das ist ein Fetisch-Club. Also, wenn dir das Probleme macht, dass Leute Sex auf der Tanzfläche haben, bist du da eher nicht richtig“, erklärt der Krosse seinem Kollegen.

„Moderne Großstädter sind schon besonderen Herausforderungen ausgesetzt“, sagt die Kollegin, als die beiden sich höflich verabschiedet haben. „Wenn die dann gesagt hätten, dass das nur ’n Witz war, hätten wir ja wenigstens alle zusammen lachen können. Aber so?“ Gaby Coldewey

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen