Berliner Szenen : Im Bergmannkiez
Flasche leer
In der Wohnung ist es noch heiß. Der Tag war gut gewesen. Ich packe eine Flasche Bier in die kleine safrangelbe Tasche, die ich mir vor fünfzehn Jahren in Thailand gekauft hatte, und gehe in der Abenddämmerung Richtung Marheinekeplatz. Über die Blücherstraße, dann in die Mittenwalder Straße. Kaum Leute auf der Straße. Vor einem Haus steht eine leere Bierflasche. Ich überlege kurz. Als ich sie nehme, fühle ich mich beobachtet. Dann fällt mir auf, dass vor ungefähr jedem zweiten Haus eine leere Bierflasche steht.
Ein paar Meter vor mir nimmt ein Mann eine der Bierflaschen und stellt sie energisch an den Bordstein neben ein parkendes Auto. Ein anderer kommt hinzu und schimpft. „Warum machst du das?“ – „Weil ich nicht möchte, dass Bierflaschen vor dem Eingang meines Hauses stehen.“
Der andere sagt, dass das Auto beim Ausparken nun die Bierflasche kaputt machen würde und dass es auch Leute gibt, die Flaschen sammeln. Ich gehe an ihnen vorbei und denke an Heidelberg, obgleich ich dort noch nie gewesen war, und nehme eine weitere leere kleine Colaflasche mit, auch um den Bierflaschenverteidiger zu unterstützen.
Der Marheinekeplatz ist überraschend leer. Ich sitze allein auf einer der Bänke vor dem Spielplatz und trinke mein Bier. In dem Restaurant neben der Kirche, das nun „Italia“ heißt, hatten wir nach dem Fußball in den 90er Jahren oft noch ein Bier getrunken, als es noch „Locus“ geheißen hatte und mexikanisch gewesen war. Ein paar Leute kiffen. Es ist still.
Am nächsten Morgen gehe ich mit zehn leeren Flaschen zu Getränke Hoffmann. So muss ich nur 15 Cent für das neue Bier zahlen. Der Mitarbeiter guckt missmutig. Das Schild, auf dem stand, dass man nicht mehr als 20 leere Flaschen abgeben darf, steht nicht mehr vor dem Getränkemarkt. Detlef Kuhlbrodt
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