Berliner Szenen: Vom Kotti zum Brandi
Neben T.
„Vom Kotti zum Brandi“ nannte Andreas Dorau das Line-Up des „Auf die Presse!“-Konzerts am Brandenburger Tor vor einigen Tagen. Wie ich dort so stand, erkannte ich den Kameramann wieder, der gerade die jungen Hände der Pianistin während Christiane Rösingers Song „Joy of Aging“ in die Totale nahm. Seit das Café an der Kottbusser Brücke geschlossen wurde, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Er war dort Stammgast und wohnte direkt neben T. Damals fragte ich mich, will ich, wenn ich seine Nähe suche, unbewusst nur T. auf die Pelle rücken?
Einmal erzählte er mir, dass seine Tochter kaum 10 Jahre jünger sei als ich. Ein andermal lud er mich zum Essen an Heiligabend ein. Mit Tochter. Und Freunden. Ich sagte zu, obwohl ich wusste, dass ich nicht kommen kann: Chor. Wäre schön gewesen. Nun habe ich seinen Namen vergessen.
Am Morgen beobachte ich die jungen Damhirsche im Regen. Sie knabbern an feuchten Baumrinden zwischen den Lenné’schen Wiesenwellen der Hasenheide. Ein dunkles Wummern landet von den „Maientagen“ an. Zu Hause könnte ich ein Licht anknipsen. Ich schaue auf die Uhr, gleich hat T. Pause, dann geht er auf den Balkon; wie ein Wettermännchen, das bei Tiefdruck hinausschwenkt. Nur ohne Frau für die guten Tage. Ich eile.
Zur Kottbusser Brücke, um auf der Klingelleiste nach dem Namen des Kameramanns zu schauen. Die Haustür liegt schräg unter T.s Balkon. Ich finde einen Namen, vergewissere mich noch hastig bei Google, fürchte, T. könnte hinaustreten, bloß nicht gesehen werden. Und laufe weg. An der Ankerklause drehe ich mich um. Im Augenwinkel sehe ich T. auf den Balkon schießen und nach links und rechts blicken, als habe er ein Gespenst gesehen. Ich war sicher schon zu weit weg. Aber vielleicht hat er mich ja erkannt. Antonia Herrscher
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