Berliner Szenen: Katzen und Wasserhähne
French Kiss
Wo bleibt der Tee?“, ruft meine Freundin in der Küche. „Schon aufgesetzt? Ich muss bald los.“
„Na ja“, sag ich. Der Kessel ist noch nicht aufgesetzt, und irgendwie ist mir das peinlich. Nicht, weil ich voll lahm bin. „Ach nee“, sagt meine Freundin. Jetzt ist sie doch zur Küche gekommen, steht in der Tür, schaut rein. „Doch“, sag ich. „Tut mir leid.“
Zu zweit schauen wir auf die Katze, die auf dem Spülenrand sitzt, vorgebeugt, Kopf unter den tropfenden Wasserhahn gestreckt, die Zunge. Da: ein Tropfen! Sie leckt. „Schubs sie weg“, sagt meine Freundin.
„Bringt nichts.“ Ich zeig auf die zweite Katze, hinter der ersten, ganz ordentlich angestellt. Und da dahinter steh ich, Kessel in der Hand. „Die ist vor mir dran.“
„Jetzt übertreibst du“, sagt meine Freundin. Aber so, wie sie guckt, würde sie sich auch hinten anstellen, wenn sie nicht unter Zeitdruck wäre. Weil süß ist das schon: Katze, Tropfen, Zunge raus, Köpfchen noch weiter vor. Fast verliert sie die Balance, Katze Nummer eins.
Katze Nummer zwei auch. Sie ist nicht so wohlerzogen, drängelt sich vor, drängelt sich dazu, genauer gesagt. Beide Katzen strecken auf einmal die Zungen unter den Wasserhahn.
„French kissing“, sag ich. „Wieso heißt’n das eigentlich so auf Englisch?“ Auf Deutsch ist „französisch“ zwar auch was mit Zunge und Sex, aber nicht einfach nur küssen. „Keine Ahnung“, sagt meine Freundin. „Sieht aber spannend aus. Sollten wir auch mal probieren. French kissing unterm Wasserhahn.“
„Aber ohne die Katzen, okay?“ – „Logo“, sagt meine Freundin, und ich hab gar nichts mehr dagegen, die beiden wegzuschubsen vom Becken. So ist das nämlich mit französisch beim Küssen, beim Sex: nicht wohlerzogen warten und so. Nur die Bezeichnung ist und bleibt doof.
Joey Juschka
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