Berliner Szenen: Sternenbekanntschaft
Mond über Kanal
Als ich die Brücke in der Glogauer Straße überquere, bleibt eine Radfahrerin plötzlich stehen und schaut Richtung Kanal. Ich erkenne sofort, warum – und parke ebenso mein Fahrrad. Ein riesiger orangefarbener Vollmond steht zentriert über dem Kanal.
„Schön, dass du ihn auch siehst“, sagt die junge Frau zu mir. „Sonst hätte ich gedacht, ich bilde es mir ein.“ Ich sage ihr, vielleicht bilden wir uns es zusammen ein. Zwei Mädels, die mit ihren Handys fotografieren, beweisen das Gegenteil.
Sie findet es schade, keine Kamera dabeizuhaben. Mit meinem analogen Fotoapparat wird es auch nichts. „Manchmal finde ich es schöner, nicht alles registrieren zu müssen“, sage ich. Sie nickt. „Es ist wie ein natürliches Taj Mahal“, sagt sie. Dann sehe ich eine Ratte im Kanal schwimmen, aber schweige darüber, um die Romantik nicht zu töten.
In dem Moment durchkreuzt etwas Leuchtendes den Himmel und verschwindet. „Was war das?“, sagen wir gleichzeitig. „Eine Sternschnuppe?“, mischt sich der junge Mann ein, der neben uns raucht. „So groß?“ – „Na dann vielleicht ein UFO?“ Inzwischen hat sich die Erde gedreht, und langsam versteckt sich der Mond hinter den Bäumen.
„Jetzt verrate ich euch, wo Jupiter ist“, sagt er und zeigt auf einen strahlenden Punkt im Himmel. Danach gucken wir uns den Großen Wagen an, und nach einer Weile merke ich, dass wir uns nur über Astronomie unterhalten: Konstellationen, Sternen-Apps, dunklere Orte in Deutschland, den Verlauf von Venus.
Der junge Mann macht doch ein Foto von uns beiden mit meiner Kamera und ist überrascht, dass wir uns auch gerade erst begegnet sind. „Wenn ich Jupiter mal wieder sehe, werde ich an dich denken“, sagt sie. „Danke für den Jupiter“, sage ich. Er geht, wir trinken in einer Kneipe in der Pannierstraße auf das Universum. Luciana Ferrando
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