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Berliner SzenenDreck und Pisse

Verknallt in B.

„Nicht lachen, ne?“, sagen wir synchron und müssen lachen

In Berlin zu leben war mir nie ein Bedürfnis. Schwärmte meine Freundin während unserer Unibewerbungen von dieser Stadt und ihren interessanten Bewohnern, gähnte ich verhalten, wünschte viel Glück bei der Studienplatzauslosung und zog wenig später emotionslos ins Ruhrgebiet. Essen ist bestimmt okay, dachte ich. Der Ruhrpott war dann vier Jahre auch genau das: voll okay. Gute Freunde, interessante WG-Zeit – beim Umzug trotzdem kein Abschiedsschmerz von der frisch gekürten Grünen Hauptstadt Europas 2017.

Besagte Freundin wohnt inzwischen in Magdeburg. Schuld daran ist ein Studienplatz für Medizin. Ihr Herz hängt offenkundig weiterhin an Berlin. Eine Frechheit, findet sie, dass ausgerechnet ich jetzt morgens auf den Görlitzer Park blicke. In den Weihnachtstagen fiel mir bei meinen Eltern mein altes Tagebuch in die Hände. Mit zehn Jahren schrieb ich meine Eindrücke über den ersten Familientrip nach Berlin nieder: „Die S-Bahnen waren total voll und alle tranken Bier. Überhaupt, ich finde diese Stadt dreckig, es stinkt und überall pissen die Leute an die Wände.“

Wenn ich momentan abends nach Hause komme, grüßt mich der Späti-Besitzer vom Nachbarhaus. „Nicht lachen, ne?“, sagen wir synchron und müssen lachen. Der Spruch entstand an einem meiner ersten Abende in Berlin, meine Entscheidungsfreude bei der Wahl des richtigen Kaltgetränks sorgte für Belustigung. Beim Aufschließen meiner Wohnung grinse ich immer noch. Und fühle mich erwischt. Schafft es Berlin echt, durch kleine Begegnungen so schnell mein Herz zu erwärmen? Meinem Zehnjährigen-Eintrag stimme ich trotzdem zu. In den vollen Bahnen stinkt es oft, es gibt viel Müll, und ja, auch pissende Leute sehe ich regelmäßig. Trotzdem bin ich wohl, schon jetzt, ein bisschen in Berlin verknallt. Linda Gerner

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