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Berliner SzenenTägliche Ernährungsfrage

Pausenbrotpflicht

Das Kind anderer Eltern kann ich nicht hungern lassen

Kaum sieht mich Fup, rennt er los und springt in meine Arme. Den Schwung ausnutzend, wirble ich ihn hoch und presse ihn dann fest an mich, bevor ich ihn wieder absetze. Die erste Frage ist immer die gleiche: „Hast du mir was mitgebracht? Ich habe Hunger.“ Ich liebe dieses Ritual. Also den ersten Teil, bevor Fup die obligatorische Frage stellt. Meine obligatorische Antwort lautet: „Hast du dein Pausenbrot gegessen?“ Ich habe nämlich den begründeten Verdacht, dass Fup den ganzen Tag über in der Schule nichts isst, um sich danach den Bauch mit einer Waffel oder einem Schokoladencroissant vollzuschlagen, die er mir durch Quengeln auf hohem Niveau abpresst. Und irgendeine Regel muss man ja aufstellen, nicht nur, um den anschließenden Debatten zu entgehen (bei denen man nur verlieren kann), sondern auch, um sie zu brechen.

Das Pausenbrot besteht allerdings auch nur aus mit Marmelade bestrichenem Knäckebrot, und das ist auch nichts, was irgendwie gesund ist oder Vitamine enthält. Es ist mir sowieso ein Rätsel, dass Fup noch lebt, nimmt er doch ausschließlich Süßigkeiten und nährwertarme Nahrung zu sich. Und dabei wird er nicht mal dick. Langsam müsste er doch Mangelerscheinungen aufweisen. Haarausfall. Skorbut. Nichts davon. Nur die Zähne fallen ihm aus, aber das soll normal sein. Milchzähne.

Diesmal kommt sein Kumpel Leo mit, weshalb sich die Ernährungsfrage erledigt, weil der auch etwas zu essen haben will, und schließlich kann ich das Kind anderer Eltern nicht hungern lassen. Bei Monsieur Ibrahim lädt Fup seinen Kumpel großzügig zu einem Vanillekipferl mit gelber Marmelade ein. Ich nehme auch eins von diesen leckeren Teilen. Ich sehe die beiden glücklich in Hochgeschwindigkeit das Gebäck in sich hineinstopfen, als wären sie total unterzuckert. Klaus Bittermann

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