Berliner Szenen: Trennung im Café
Die Zeugin
„So nah waren beide Tische“, erzählt meine Freundin Leo und bildet mit ihren Händen eine Spalte von etwa zehn Zentimeter. „Das Café war sehr voll.“
Am Anfang hatte sie gedacht, das Paar habe Probleme, die beiden erlebten nicht ihre besten Zeiten, aber das passiere eben, normal. Nicht erwartet hatte sie, dass sie sich vor ihren Augen, fast am gleichen Tisch, trennen würden. Er sagte: „Ich glaube, es geht nicht mehr mit uns. Ich bin müde, ich weiß nicht weiter.“ Sie nickte und schaute nur nach unten. Mit sanfter Stimme sprach er weiter. „Mir wäre es lieber, du würdest die Entscheidung treffen, aber weil du es nicht kannst, mache ich es. Tut mir leid.“
Leo war extra in ihr Lieblingscafé in Schöneberg gegangen, um dort in Ruhe einem Freund einen Brief zu schreiben. Sie versuchte zuerst, den beiden gar nicht zuzuhören. Aber es gelang ihr nicht. Stattdessen fing sie nun an, den Dialog, der sich vor ihr abspielte, zu transkribieren.
„Schade“, sagte die Frau schließlich. „Ja, schade“, sagte der Mann, stand auf und ging. „Mach’s gut.“
Ihre Gläser Wasser waren voll, ihre Kaffeetassen halb leer, so schnell ging es zu Ende.
Wie reagierte die Frau, frage ich. Ob sie heulte oder gar aus Verzweiflung etwas kaputt machte.
„Sie bewegte sich nicht, sie war plötzlich wie aus Stein“, sagt Leo. Auch wenn hier niemand weinte, griff meine Freundin doch automatisch zu ihrer Tasche und suchte die Taschentücher. „Alles okay?“, hätte sie die Tischnachbarin gern gefragt, aber es wäre eine rhetorische Frage gewesen, eine dumme Idee. Sie ließ es sein. „Ich traue mich nicht, sie anzusprechen“, schrieb sie aufs Papier vor ihr.
Die Kellnerin habe gefragt, ob sie noch was trinken wollten, als gehörten Leo und die verlassene Frau zusammen. Ihre Stimme, sagt Leo, kam wie aus einer anderen Welt, um das Schweigen zu brechen. Nein, sie brauchen nichts, sagte meine Freundin. Die Kellnerin fing an, die Tische abzuräumen. Luciana Ferrando
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen