piwik no script img

Berliner SzenenEdel-Ösi & Anti-Populism

Nervt ein bisschen

Der Cheesecake schmeckt leicht ranzig

Die Wintersonne saugt die Prenzlberger aus ihren Wohnzimmern. An diesem Sonntagnachmittag ist ganz schön was los im Bötzowviertel. Ein paar Verwegene sitzen draußen vor den Cafés, linsen in die tief stehende Sonne. Im Kuchenladen „Franz-Karl“ bildet sich schon um halb zwei eine Schlange. Das nervt ein bisschen.

Als der Laden aufmachte, bin ich gern hingegangen, weil der Tortenbäcker aus Vorarlberg eine gute Topfengolatsche hinbekommt. Seine Buchteln schmecken buttrig-leicht. Einen leiwanden Apfelstrudel backt er auch. Ich habe einige Jahre in Wien gelebt und war froh, in ein Stück meines früheren Exils beißen zu können. Leider ist der Kuchen irre teuer geworden. Und der Cheesecake schmeckt leicht ranzig.

Gehe ich zum Ostbäcker, reichen 5 Euro für Süßes zum Kaffee, bei Franz-Karl bin ich schon mal bei 15 Euro und mehr. Nichts gegen österreichische Mehlspeisen, aber wenn man sie so langsam mit Gold aufwiegen muss, kann etwas nicht stimmen. Franz-Karl ist ein Bäcker für Bötzow-Betuchte. Und die stehen sich die Beine in den Bauch, um sich die Sahnestücke vom Edel-Ösi zu sichern. Ist schon klar: Bald wird ein Stück Sachertorte 5 Euro kosten.

Auch der Park Friedrichshain ist voll. Kinder schlittern über Eisreste. Eine Mutter schiebt einen Kinderwagen, der die Blicke auf sich zieht. Auf dem Verdeck klebt ein Zettel. Darauf steht: „Anti-Populism Vehicle“. Die Mutter flaniert nicht, sie demonstriert. Vielleicht gegen Trump. Vielleicht gegen das Europa-Treffen der Rechtspopulisten. Jedenfalls: Sie demonstriert.

Ach ja, wenn es doch nur so einfach wäre: Seine einwandfreie Gesinnung samt einwandfreiem Baby durch die Gegend kutschieren, und alles wird gut. Auch das nervt ein bisschen. Kann man nicht wenigstens im Park seine Ruhe vor diesem Trump haben. Markus Völker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen