Berliner Szenen: Macht des Kommas
Es regnet, Alter!
Meine Nachbarn quer über die Straße machen Party. Sonst mag ich die Kombi Nachbarn und Party eher weniger, aber diesmal ist alles anders, denn ich muss mich fast anstrengen, die Songs zu erkennen, die da rüberwehen zu mir, und als ich sie erkenne, bin ich begeistert. Ewig nicht gehört, dieses Lied, dabei ist das voll super! Ich kriege sofort gute Laune. Und das nächste erst, und das danach!
Alles, was ich als Teenie voll mochte und wozu ich so sehr getanzt habe, dass mich ständig wer fragte, welche Drogen ich intus hatte. Ich hatte keine Drogen intus, ich fand nur die Musik einfach klasse. Meine Nachbarn finden das anscheinend auch – noch so’n olles Teil. Ich singe mit „It’s raining men!“ und übersetze simultan im Hirn: „Es regnet Männer! Halleluja!“
Ich stutze. Es regnet was bitte? Das kann nicht sein. Weil die Disco, in der ich damals so aufgedreht rumsprang, war eine für Homos, und mit mir sprangen nicht nur die Jungs auf der Tanzfläche rum, sondern auch die Lesben, begeistert hoch drei. „Es regnet Männer?“, denk ich noch mal. Doch, doch, so war’s: Wir Lesben legten los zu dem Lied. Ich sitze auf einmal ganz still, statt weiterzuwippen. War mein Englisch damals so schlecht? Nee, denk ich, es war kreativ. „Es regnet, Alter!“, so hab ich mir das damals gedacht. Mit Komma vor „men“, und das „men“ dann im Singular, so wie in „Alter!“ – „Ey, Alter, es regnet! Ist geil, halleluja!“
Vielleicht mag ich Regen deshalb so sehr und gehe dann am liebsten spazieren. Und ich beschließe spontan, etwas zu machen, was mir selbst zuwider ist, wenn’s einer mit meinen Texten macht: ein Komma zu setzen, wo kein Komma hingehört. Aber das muss jetzt sein; das Komma bleibt im Song, für mich jedenfalls. Es soll weiter Regen regnen – Ey, Alter! Ist geil! – und keine Men-Männer. Halleluja!
Joey Juschka
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