Berliner Szenen: Abends vorm Fenster
Fuchs und Sammler
Am späten Abend telefoniere ich mit der Freundin in Stuttgart. Ich sitze dabei am Schreibtisch vorm Fenster, weil mein altmodischer Festnetzapparat eine gemütliche Verlagerung auf die Couch nicht zulässt. Abends ist es in Pankow eher ruhig. Also, im Herbst und Winter zumindest. Um 21.30 Uhr kommt immer die Frau mit dem Hund vorbei. Danach passiert in der Regel nicht mehr viel.
Es ist feucht und kalt und neblig. Vor dem Haus auf dem Bürgersteig stehen zwei leere Bierflaschen. Das ist so ungewöhnlich, dass ich überlege, sie reinzuholen, damit sie niemand aus Versehen kaputt macht. Sonst hat man morgens diese Scherben und mit dem Fahrrad …
Da passiert es. Direkt vorm Haus hält ein Auto und ein älterer Mann steigt aus. Das ist seltsam, denn a) steht er im Halteverbot und b) kenne ich ihn nicht. „Wieso, kennst du alle, die vor eurem Haus halten?“, fragt die Freundin, der ich meine Beobachtungen so omamäßig mitteile. Also ja, da halten im Parkverbot so spät abends nur Nachbarn oder Essenslieferanten. Der Mann steigt aus, leert die Reste aus den Flaschen, legt sie in den Kofferraum und fährt wieder los. Flaschensammler mit Auto, auch interessant. Die einzigen Sammler mit Auto sind sonst die Brandenburger Ehepaare, die nachts die vollen BSR-Laubsäcke holen, für die man Pfandgeld bekommt.
Jetzt ist es wieder leer und neblig. Es geht auf elf. Da kommt der Fuchs. Er kommt immer von links am Haus vorbei und nach ein paar Minuten läuft er auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig in die andere Richtung, zurück in den Park. Heute nicht. Er geht die Treppe zum Nachbarhaus hoch und dann runter zur Souterrainwohnung. Dann verschwindet er aus meinem Blickfeld. Der Nebel wird dichter. Ich gehe schlafen. Nach dem Fuchs kommt in der Regel niemand mehr. Gaby Coldewey
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