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Berliner SzenenKottbusser Tor

Selfie Analog

Wir waren so fotoautomatenbesessen wie Amélies Freund

Eine meiner ältesten Freundinnen ist zu Besuch. Wir laufen ziellos durch die Straßen von Kreuzberg, tauschen uns über unseren Alltag aus und sind dabei wieder die unbeschwerten 16-Jährigen, die nach nur einer Woche Freundschaft zusammen in einen Nachtzug nach Paris gesprungen sind und sich dort auf dem Korridor einer Jugendherberge mit selbst gemischten Cocktails die Nächte um die Ohren geschlagen haben.

Nach einem Kaffee mit Blick auf die Oberbaumbrücke suchen wir nach einem Fotoautomaten. Der Besuch von Fotoautomaten hat bei uns seit Beginn unserer Freundschaft Tradition: Noch lange bevor der Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ in die Kinos kam, waren wir so fotoautomatenbesessen wie Amélies Freund. Unsere Fotoautomatenfotosammlungen umfassen jeweils mehr als 100 Fotostreifen, darunter alleine mehr als 30 von unseren eigenen Veränderungen über die Jahrzehnte.

Meine Lieblingsbilder in meinem Album aber sind die, die Fremde in aller Welt im Automaten vergessen haben, wie die einer alten Italienerin, die ich in Rom am Bahnhof gefunden habe und eine Serie eines düster guckenden Teenagers, die in Paris vor dem Gare du Nord auf dem Boden lag.

Am U-Bahnhof Kottbusser Tor finden wir einen alten Schwarz-Weiß-Automaten. Wir kaufen Kaugummis, durchforsten unsere Handtaschen nach Dingen, die zum Verkleiden taugen und bereiten unsere dümmsten Grimmassengesicher vor. Das Ergebnis erschreckt uns: „Haben wir wirklich solche Augenringe? Und Falten?“

Wir sind den Spiegel der analogen Selfiestation nicht mehr gewohnt: Handys haben heutzutage alle integrierte Filter. Die Kamera des Automaten lügt nicht. Wir machen drei Fotoserien, bis wir über uns selbst lachen müssen und uns mit den Bildern anfreunden.

Eva-Lena Lörzer

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