Berliner Szenen: Bei Manufactum
Das Kommissbrot
Ach wäre es nur so einfach wie dort auf dem Lkw angepriesen, der an uns vorbeizieht, als wir den Laden nahe Ernst-Reuter-Platz verlassen: „Kein Rutschen mehr mit Antirutschmatten aus Regupol!“ Ach wäre es nur so einfach, und gäbe es Antirutschmatten fürs Weltgeschehen, das uns itzo hübsch nahe auf den Pelz rückt. Bis endlich alle Antirutschmatten kriegen, sorgen wir vor mit Kommissbrot aus Sauerteig. An diesem graumelierten Endnovembertag beziehen wir das kastenförmige Gebäck von Manufactum in der Hardenbergstraße, schräg gegenüber gelegen vom blaugoldig leuchtenden und Westberlin at its best seienden Renaissance-Theater.
Ja, ganz recht, Manufactum – ein Laden, den wir eigentlich ob seiner geballten Retro-Affigkeit und seines brunzdummen Spruchs „Die guten Dinge, es gibt sie noch“ verachten. Warum nur gehen wir trotzdem zu dieser überteuerten Apotheke? Weil es dort zum Kommissbrot eine Brottüte gibt, auf der steht „Wie ein Brotkasten“. Und es stimmt – die gute Brottüte: es gibt sie noch!
Dergestalt demütig sitzen wir vor vermutlich freihändig geschöpftem Kakao im firmeneigenen Café und lauschen unfreiwillig dem ältlichen Nebenmann. Der trägt Flanell grau und trinkt Kräutertee. „Ja“, säuselt er ins Handy hinein, „ja, in Prozent der Originaldeckung. Da können Sie jetzt alles und nichts mit anfangen, Herr Schnapf, da geb ich Ihnen recht. Die Finanzierung des Leipziger Flughafens hat ja auch nicht geklappt, Herr Schnapf! Der schlimmste Partner dabei ist die Lufthansa. Was sagen Sie, Herr Schnapf? Gut, ich meld mich morgen bei Ihnen, tschüs Herr Schnapf, wir sind auf einer Linie.“
Der Flanellmann greift zur kalbsledernen Aktentasche, entfernt sich. Von der Brottheke schallt es: „Mohammed, hast du da ne Dose zu stehen?“
Harriet Wolff
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