Berliner Szenen: Heizung auf Urlaub
Butch sein dürfen
Ich sitz vorm PC und langsam hab ich keinen Bock mehr da drauf. Ich bin kein Bürohengst, so richtig jedenfalls nicht; mein Körper schreit nach Bewegung. Grad überleg ich, bei der Nachbarin zu klingeln, die nicht mehr so gut schleppen kann, und ihr anzubieten, für sie einkaufen zu gehen, als mein Handy piepst.
„Heizung kaputt!“, schreibt meine Freundin. Hah, denk ich. Perfekt! Da gibt’s was zu schrauben, zu hämmern, zu bohren; das ist nicht nur Bewegung, sondern auch noch voll butch! „Komme sofort!“, schreib ich also zurück und hinterher: „Was ist denn kaputt?“ Ich muss schließlich wissen, welchen Hammer, Bohrer, Schrauber ich einpacken soll. „Keine Ahnung. Es steht einfach ‚Urlaub‘ im Display.“ Das kapier ich nicht, aber egal; ich pack alles ein, schwing mich aufs Rad und kurz darauf steh ich bei ihr in der Wohnung. Tatsache: „Urlaub“, sagt das Display, sonst nichts. Und plötzlich fällt’s mir ein.
„Voriges Jahr“, fang ich vorsichtig an, „da warst du doch im Urlaub um diese Zeit.“
„Hmm“, sagt meine Freundin.
„Da hab ich das eingestellt. Wollt mal testen, ob’s funktioniert, dass es dann nicht heizt.“
„Es funktioniert“, sagt sie, dann fragt sie: „Voriges Jahr?“
Ich werd rot. „Hab’s anscheinend nicht so mit Zahlen.“ „Weiß ich“, sagt sie, aber da hör ich jetzt mal einfach drüber hinweg.
„Und jetzt?“ „An den Einstellungen rumfummeln, würd ich mal sagen.“ „Och“, sag ich. „Kein Hämmern, Bohren und Schrauben?“ „Nee“, sagt sie. „Tut mir leid. Obwohl: ne neue Glühbirne muss da in die Lampe.“ „Och“, sag ich noch mal.
Zum Glück ist es die Lampe, an die man nur echt schwer rankommt: Stuhl auf Tisch und da dann ganz hoch. Da kann ich beim Klettern voll angestrengt stöhnen und beim Birneeinschrauben auch. Doch noch Butch sein heute! Tag gerettet, würd ich mal sagen.
Joey Juschka
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