Berliner Szenen: Na, ihr Mäuse?
Mansplaining
Im Bus betrachtet meine zweieinhalbjährige Tochter die Schilder und fragt: „Was sagt das? Und das?“ Ich erkläre ihr, was Reklame ist, und übersetze die Werbesprüche in eine kindgerechte Sprache. Zwei Männer in der Reihe hinter uns verfolgen das Gespräch offensichtlich. Sie lachen bei jeder Frage meiner Tochter laut auf und reden über die Fragephase bei Kindern, und wie wichtig es ist, schon von klein auf akkurate Antworten zu geben.
Meine Tochter zeigt auf das Notausgangsschild. „Und das Grüne?“ Ich sage: „Das zeigt an, dass hier der Notausgang ist.“ Sie wiederholt: „Notausgang“ und sagt dann: „Kenn ich nicht. Was ist das?“ Ich erkläre ihr, dass das Fenster zum Ausgang wird, wenn der Bus ein Problem hat und die Türen nicht aufgehen. Sie wiederholt: „Wenn der Bus ein Problem hat, geht man zum Fenster raus.“
Die zwei Männer in der Reihe hinter uns mischen sich in unser Gespräch ein. Der eine sagt zu mir: „Du musst ihr den Hammer zeigen.“ Der andere steht auf, geht zu dem Notausstiegshammer zu und sagt: „Damit schlägt man das Fenster ein. Guck, so!“ Er demonstriert die Bewegung. „Aber wenn du den einfach so benutzt, kriegst du Ärger.“ Der andere der beiden Männer lacht. „Das muss man einem Kind auf jeden Fall dazusagen, haste recht!“
Meine Tochter wiederholt: „Wenn der Bus ein Problem hat, dann schlag ich das Fenster ein. Sonst kriege ich Ärger.“ Die beiden Männer nicken. „Geht doch, jetzt hat sie es verstanden.“ Ich ignoriere die zwei. Meine Tochter wiederholt noch mehrmals den gleichen Satz: „Wenn der Bus ein Problem hat ...“ Als die beiden Männer zwei Stationen später aussteigen, sagt der eine der beiden zu mir: „Den Ohrwurm wirste jetzt nicht mehr los, Süße.“ Und dann zu meiner Tochter und mir: „Schöne Fahrt noch euch beiden Mäusen!“
Eva-Lena Lörzer
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