Berliner Szenen: Unerfolgreiche Tage
Wo ist meine Villa?
„Je erfolgreicher man ist, desto seltener ist man zu Hause“, stand kürzlich irgendwo in einem Interview. Tja, und was soll ich sagen: Ich bin gerade ziemlich oft zu Hause. Aber geht es im Leben nicht auch darum, Frustrationstoleranz zu üben? Soll man mit den anderen teilen, was man hat, die Liebe, die Aufmerksamkeit, die materiellen Dinge, muss man da nicht zuerst wissen, wie man Niederlagen verschmerzt?
Andererseits: Seine Niederlagen aufzuschreiben ist seit Längerem sehr in Mode. Erfolgreiche Männer schreiben die Lebensläufe ihrer Niederlagen. In dem Sinne habe ich auch wieder zwei bis drei äußerst unerfolgreiche Tage verlebt. Gestern bin ich komplett zu Hause geblieben. Auch heute geht es nur ein wenig nach draußen. So schön es da auch sein mag.
Manchmal ist es wie verhext. Bevor zum Beispiel die Liebste zu mir kommt, stößt sie sich den Fuß. Sie humpelt. Sie sitzt in Konferenzen und denkt nur noch an den Kühlpack, der nach Feierabend auf sie wartet und den sie mir für heute vorzieht. Dann ruft sie mich an, obwohl sie kein Guthaben mehr hat.
Das bedeutet, dass ich nichts höre. Ich rufe zwei-, dreimal „Hallo?“ ins Nichts. Dann lege ich auf und rufe zurück. Sie erklärt mir, dass sie anrufen kann, aber nicht telefonieren. Sie kann dann nur auf den Rückruf warten. So warten wir alle auf irgendetwas, sage ich. Die Konversation läuft etwa so ab:
„Ich will eine SMS von dir.“ – „Warum? Magst du keine Telefonate?“ – „Ich kann deine Stimme nicht hören.“ – „Das verstehe ich nicht.“ – „Das musst du auch nicht.“
Und so sitze ich zu Hause und warte. Immer warte ich. Ich sitze erfolglos zu Hause und warte. Und unterdessen dreht sich die Zeit weiter, machen die Menschen ihre Leben fest, aus denen sie so leicht nicht mehr herauskönnen. Familie, Hund und Eigenheim.
Aber wo, frage ich mich, ist eigentlich meine gut aussehende Frau? Wo ist mein SUV? Meine Villa? Wie bin ich bloß in dieses Dilemma geraten? René Hamann
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