Berliner Szenen: Draußen im Herbst
Wildschweinalarm
Alles geht ganz schnell: Aus den Büschen neben dem Feld hinter meinem Haus springt eine Gruppe Wildschweine hervor und jagt nur wenige Meter entfernt an meinen Hunden, meiner Tochter und mir vorbei. Die Hunde bellen lautstark, meine Tochter schreit auf. Ich reiße sie hoch und verliere dabei die Kontrolle über die Hundeleine. Ehe ich die Leine aufheben kann, sind meine Hunde schon weg.
Von Weitem höre ich wildes Kläffen. Ich rufe die beiden wieder und immer wieder, laufe zur Straße, um nach ihnen zu sehen, finde sie aber nicht. Ich laufe wieder zurück auf den Gehweg und übers Feld, pfeife, stapfe, klatsche. Nichts. Nach zehn Minuten kommt mir wenigstens meine Australien-Shepherd-Hündin, wenn auch vollkommen zerzaust, entgegen. Von der Boarder-Collie-Hündin aber kein Zeichen.
Ich kriege Panik. Ich erinnere mich daran, wie ich vor einem Jahr beim Spazierengehen eine Bekannte getroffen hatte, deren Rottweiler auf dem Gehweg lag: Die sonst so toughe Hündin war beim Ballspiel auf eine Wildsau mit Frischlingen gestoßen und von ihr aufgespießt worden. Mit dem Kind auf dem Arm und der Aussie-Hündin an der Leine renne ich durchs Naturschutzgebiet.
Mein Akku ist leer, ich kann keine Hilfe rufen. Der sonst so volle Spielplatz ist verlassen, kein Hundebesitzer ist unterwegs, und auch sonst sehe ich keinen Menschen weit und breit. Außer dem Blöken der Schafe auf der hinteren Weide kein Geräusch.
Ich suche, bis meine Tochter weinend bittet, nach Hause zu gehen, und ich nicht mehr weiterweiß.
Als ich vor meinem Haus ankomme, höre ich von drinnen ein Winseln. Im Hausflur liegt meine Boarder-Collie-Hündin und sieht mich an, als wollte sie sagen: „Ich bin schnell nach Hause gerannt. Und wo wart ihr?“ Eva-Lena Lörzer
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