Berliner Szenen: Wichtiges Thema: Geld
Mal was gönnen
Sonntagabend, ich war mit dem Kind und seinem Freund Noah im Spaßbad in Oranienburg. Jetzt wollen wir nach Hause. Die S1 steht schon da, fährt aber nicht gleich los. Ein Mann in Arbeitskleidung geht durch die Bahn und sammelt Müll ein.
„Verdient der viel Geld damit?“, fragt Noah. Noah ist zehn, und Geld ist gerade ein wichtiges Thema. Er spricht dabei viel vom Gönnen. Wenn seine Eltern ihm Fußballschuhe kaufen, sagt er etwa: „Hab ich mir mal gegönnt!“, Süßigkeiten von der Oma kommentiert er mit: „Kann man sich mal gönnen!“
Ich weiß nicht, wie viel man verdient, wenn man S-Bahnen säubert, und sage ihm das auch. „Na, aber so ungefähr?“, fragt Noah. „Bei McDonald’s verdient man zum Beispiel 400 Euro, sagt mein Daddy.“ Ich atme tief durch. „Noah, in Deutschland gibt es einen Mindestlohn. Du arbeitest hier nicht eine ganze Woche jeden Tag und kriegst dann nur 100 Euro.“
„Ist das also wenig?“, fragt er. 400 Euro Monatsverdienst wären definitiv zu wenig bei einer Vollzeitstelle, erkläre ich und frage: „Was meinst du denn, was viel ist?“ – „Also, Jérôme Boateng zum Beispiel, der verdient so 30 Millionen Euro im Jahr.“
So komme ich nicht weiter. Ich rechne ihm vor, dass zum Beispiel ein WG-Zimmer etwa 300 Euro Miete kostet und er dann noch 100 Euro für Essen und den Rest hätte. „Ist 100 Euro wenig für Essen?“, fragt er prompt. Jetzt schaltet sich das Kind ein. „Davon kannst dir jeden Tag einen Döner kaufen.“ Noah nickt zufrieden. „Ja, aber sonst nichts“, sage ich. Keine Limo, keine Brötchen, kein Obst. Und Klamotten sind dann auch nicht drin.“ Kurze Pause. Nachdenkliches Gesicht.
„Aber wenn ich an zwei Tagen nur türkische Pizza ohne Salat nehme, könnte ich mir bei H&M noch ein T-Shirt gönnen“, trumpft Noah auf.
Ich glaube, das mit dem Geld müssen wir noch mal vertiefen.
Gaby Coldewey
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