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Berliner SzenenAm Sonntag

Coworking-Hof

Ich bin wahrscheinlich die einzige ­Person, die arbeitet

Sonntagnachmittag, Home Office auf dem Balkon. Um auf dem Computerschirm etwas sehen und so meinen Artikel weiterschreiben zu können, muss ich warten, bis die Sonne aus meinem Balkongebiet verschwindet. Wenn ich schon arbeiten muss, dann draußen. Sich Schatten zu wünschen an den letzten heißen Tagen des Sommers mag bitter sein, aber wenn man die To-do-Liste immer wieder verschiebt, kommt so was schon mal vor.

Nun sitze ich an einem schönen Tag, mit sommerlichem Duft und malerischen kleinen Wolken, zu Hause auf dem Balkon fest und kämpfe mich durch die Zeilen. Als Freelancer hat man keine Ausrede, auch der Sonntag ist Werktag, und die Deadlines kennen weder Religion noch Wetter.

Da mein Balkon im Hinterhof hängt, sehe ich die Straße voller glücklicher Sonntagsmenschen nicht, doch ich kann sie genau vor mir sehen. Ich sehe, wie sie unten im Café ein Buch lesen, Tee in den Bäckereien der Hermannstraße trinken, sich Eis am Reuterplatz kaufen, mit Freunden spazieren gehen, eine Fahrradtour machen und auf dem Tempelhofer Feld rumhängen und grillen, also jede Menge Spaß haben.

Ich bin wahrscheinlich die einzige Person, die zu Hause ist und arbeitet. Aber da bemerke ich, dass aus dem Nachbarhaus Musik kommt und eine männliche Stimme mitsingt. Bestimmt tippt er auch nebenbei, sage ich mir, warum sonst ist er nicht draußen? Irgendwo benutzt ein Mensch einen Staubsauger. Gegenüber sehe ich einen Nachbarn, der eine Brille trägt, am Schreibtisch sitzt und ein Blatt Papier in der Hand hat. Bestimmt arbeitet er auch!

Plötzlich ist der Hinterhof ein sonntäglicher Coworking Space geworden. Ich fühle mich nicht mehr allein und kriege Lust, für alle Kaffee zu kochen, eine Pause zu machen und über das Wetter zu quatschen. Luciana Ferrando

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