Berliner Szenen: Rad & Romantik
Behutsam
Das Fahrrad stand wohl tatsächlich nicht so ganz stabil. Ein altes Hollandrad, eher die Sorte klapprig als solide, zusammen mit dem etwas unebenen Pflaster – also nicht die haltgebendste Konstruktion. Jedenfalls gibt es, genau in dem Moment, in dem eine Gruppe Touristen auf ihren orangefarbenen Leihrädern in Schlangenlinien über die Brücke fährt, auf einmal ein sehr lautes, sehr schepperndes Geräusch. Das Rad liegt auf dem Gehweg. Mitsamt Korb und einigem, was sich darin befand. Besorgte Blicke der Passanten in Richtung Rad, ist da gerade jemand hingefallen? Nur ein Rad und kein Mensch am Boden, also wohl nichts passiert. Weiter.
Die junge Frau, zu der das Rad gehört, sitzt ein paar Meter weiter, an die Brüstung gelehnt, in der Abendsonne. Sie hat eine schwarze Strickjacke unter sich ausgebreitet, die Augen geschlossen, kein Buch, kein Handy in der Hand, keine Kopfhörer auf den Ohren, einfach so.Der Saxofonist, der hier sonst häufig steht, muss schon Feierabend gemacht haben. Zu hören sind nur noch die Rufe der Touristen, das schnelle Klappern von Absätzen auf dem Boden und im Hintergrund der Verkehrslärm. Als das Rad umfällt, öffnet sie kurz die Augen, seufzt kurz und lehnt sich wieder an.
Kurz vor dem lauten Scheppern hat ein junger Mann die Brücke betreten. Er trägt eine kurze Hose und hat eine Ledertasche unter dem Arm. Der Typ zögert kurz, geht dann in Richtung Rad. Er hebt es vorsichtig vom Boden an, dreht den Lenker wieder gerade, sammelt die Sachen in den Korb und lehnt es an die Brüstung. Die Frau schaut verlegen, vielleicht, weil sie sich nicht selbst gekümmert hat, bleibt aber sitzen. Sie bedankt sich, er bleibt noch kurz stehen. Eine weitere Touristengruppe zieht vorbei, diesmal zu Fuß. Einige Zeit später gehen die beiden von der Brücke. Gemeinsam. Svenja Bergt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen