Berliner Szenen: Auf dem Bolzplatz
Limies und Beulen
Obwohl die EM vorbei ist und die Tränen getrocknet sind, die Fup nach dem verlorenen Finale gegen Portugal vergossen hat, sind an der Schule und im Hort Fußballbildchen verboten, weil die Jungs ständig damit zocken. Fup hat einen Ausweg aus dieser Misere gefunden. In der Fußballecke des Horts, einem umzäunten Flecken Erde, der je nach Wetterlage aus Staub oder Matsch besteht, zockt er mit selbst hergestellten Fußballbildchen. Auf einem eher grob mit der Schere ausgeschnittenen Blatt in der entsprechenden Größe hat Fup ein Strichmännchen gemalt, darunter: „Humelz“, „Grisman“. Auf jeder Karte steht „Limie“. Gesprochen hört es sich wie „Limmi“ an, es handelt sich um die Abkürzung von Limited Edition, denn ohne dieses Qualitätssiegel sind das nur „Loser“-Karten, wie mir Fup erklärt.
Auf dem Bolzplatz zu Hause vor der Tür bekommt Fup einen Schlag aufs Schienbein, wälzt sich dramatisch auf dem Boden, wie er das während der EM gesehen hat. Er weint. Zwischen alten Schrammen und vergrindeten Hautabschürfungen kommt eine kleine Beule zum Vorschein. Ich trage den Verletzten in die Wohnung. Dort lege ich ein Kühlpad auf die Schwellung und befestige es mit einem Verband, damit es professionell aussieht. Fup hüpft auf einem Bein. Fußballspielen geht nicht mehr. Also fertige ich Karten an und schreibe die Namen der französischen Nationalmannschaft und der Spieler des BVB drauf. Fup verziert sie mit Strichmännchen und „Limie“. Laufen kann er immer noch nicht.
Ich sage: „Wenn du ein Bein nicht mehr benutzt, dann entwickeln sich die Muskeln zurück.“ „Zurückentwickeln?“, fragt Fup. „Dann kannst du nicht mehr spielen“, sage ich. Der Heilungsprozess verläuft nun ganz schnell. Ich glaube, wir können gleich wieder auf den Bolzplatz.
Klaus Bittermann
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