Berliner Szenen: Nach der Lesung
Dünner und schöner
Ich hatte mir das drogenorientierter oder subkulturgeschichtlicher vorgestellt und war am Anfang noch verwirrt gewesen. Ich hatte meine zweite Single von 1973 gespielt, „How Can I Be Sure“ von David Cassidy, und von der Bühne aus die Gesichter nicht richtig sehen können. Zwischen den Texten hatten helle Stimmen manchmal „Eichhörnchen! Eichhörnchen!“ gerufen und die Sachen, die ich noch nie gelesen hatte, hatten am meisten Spaß gemacht.
Ein paar Monate hatte ich mich auf diese Lesung gefreut und nun war sie schon wieder zu Ende. Zufrieden, auch ein bisschen erschöpft, verließ ich die Bühne. Alles war gut; im schummrigen Raum standen ein paar Leute und wollten Bücher kaufen, und die Technomusikerin war gerade aus Mexiko gekommen und stand hinter den Leuten und winkte.
Ich sagte, ich hätte zwei Bücher dabei. Sie fragten, welches Buch besser sei? – Keine Ahnung. – Wo steht denn mehr drin? In dem einen ist mehr als doppelt soviel Text. Dafür hat das dünnere eine schönere Farbe. Das eine war erfolgreicher als das andere, und es gibt noch ein drittes, das nicht erschienen ist, weil ich davor noch einen Bestseller schreiben sollte, nuschelte ich. Die einen Bücher waren orange, die anderen violett. Im schummrigen Licht sahen aber alle orange aus. Komisch. Wie ein aufgeregtes Huhn lief ich hin- und her, bis sich alles wieder geordnet hatte. Dann kam die Veranstalterin und gab mir Geld, gleichzeitig drückte mir der Buchkäufer Geld in die Hand, während ich den Buchkäufern die Bücher reichte.
Ich unterhielt mich noch mit Freunden, wir tranken ein letztes Bier, und dann nach Hause. Auf halber Strecke merkte ich, dass mein Portemonnaie weg war. Zum Glück hatte es im Kater-Blau-Lokal aber nur geschlafen und war am nächsten Tag wieder da. Detlef Kuhlbrodt
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