Berliner Szenen: „Star Wars“ ist out
Ich bin das Kind
Noch vor Kurzem hätte Fup für eine Hunderteinser seine ganze „Star Wars“-Sammelmappe getauscht. Und ich sagte panisch: „Nein, tu das bloß nicht. Weißt du, wie viel die gekostet haben?“ Ich komme mir vor wie die Frau, die im Kino der Kultur-Brauerei ihrem Kind einen Becher Wasser für 3.80 Euro gekauft hat und sagt: „Weißt du, wie viel das gekostet hat? Das kannst du jetzt nicht einfach trinken.“ Und jetzt denke ich, Fup hatte recht, denn erstens hätte er dann die Riesenmappe nicht mehr mit sich herumschleppen müssen. Zweitens ist „Star Wars“ jetzt out.
Nun sind Fußballkarten angesagt, die nach demselben undurchsichtigen Prinzip hergestellt sind wie die „Star Wars“-Karten, es gibt auch hier geheimnisvolle Zahlen, die bei der Rubrik Abwehr und Angriff so etwas wie eine Wertigkeit bedeuten sollen. „Ist 34 in der Abwehr viel?“, fragt Fup. „Keine Ahnung“, muss ich gestehen, denn da es nicht nur deutsche, sondern auch internationale Spieler aus allen möglichen europäischen Ligen gibt, sagen mir viele der Namen auf den Karten nichts. Aber ich sehe, dass die Karten schon mindestens ein Jahr alt sind, denn Fup hat natürlich BVB-Karten gesammelt, und da ist noch Großkreutz dabei, der schon lange weg ist.
Fup sucht seine Fußballkarten. Ohne will er nicht in die Schule gehen, denn eigentlich ist die Schule nur eine Tauschbörse. Trotz gemeinsamer Suchanstrengungen finden wir sie nicht. „Wir kommen zu spät“, sage ich. Fup weigert sich, aus dem Haus zu gehen.
Als er endlich im Auto sitzt, weint er. „Hör auf, wegen dieser doofen Karten zu heulen“, sage ich. „Ja, du bist ja auch ein Erwachsener, aber ich bin noch ein Kind.“ Ach, auf einmal, denke ich. Und dann sagt Fup: „Du kannst ja nicht mal übers Feuer gehen.“ Er überlegt und korrigiert sich: „Du kannst nicht mal durchs Feuer gehen.“
Klaus Bittermann
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