Berliner Szenen: Termin
Eichrechtlich korrekt
Die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg hatte mir geschrieben, dass sie als „verantwortlicher Netz- und Messstellenbetreiber“, zuständig für das Gasnetz und den Gastransport, „zur Gewährleistung eines störungsfreien Betriebes und Einhaltung der eichrechtlichen Anforderungen“, meinen Gaszähler wechseln müsse, und nannte einen Tag Anfang Februar, zwischen 7.30 bis 10 Uhr.
Ich speicherte den Termin im Handy und vergaß ihn sogleich. Irgendwann meinte ich mich zu erinnern, dass es einen Gaszählerwechsel bei allen Mietern gab. Ich wunderte mich, dass nicht wie sonst ein Aushang daran erinnerte. Das Schreiben des Netzbetreibers hatte ich vergessen. Am Abend vor dem Termin klingelte ich bei meiner Nachbarin und fragte sie nach dem Austausch. Überrascht schaute sie mich an und redete mir erfolgreich aus, dass irgendjemand irgendwas austauschen würde.
Am nächsten Morgen klingelte es halb acht an meiner Tür. Ich schreckte aus dem Schlaf und nahm den Hörer von der Gegensprechanlage. „Gaszählerwechsel!“ In der Zeit, die der Mann die 72 Stufen hoch zu meiner Wohnung brauchen würde, putzte ich die Zähne und ging aufs Klo. Ich ließ ihn rein und dachte an falsche Monteure, vor denen immer wieder gewarnt wird. „Mein“ Gaszählerwechsler, Ende 50, unauffällig und freundlich, war sehr glaubhaft. Ich machte Kaffee. „Für Sie auch?“ – „Gern.“ Nach getaner Arbeit saßen wir am Küchentisch – er im Blaumann, ich im Schlafanzug – und tranken Kaffee. Sein Blick fiel auf die Schachtel Cabinet, die dort lag. Ich bot ihm eine an, und wir rauchten zusammen die alte DDR-Marke, während er erzählte, dass er mal bei den Puhdys den Gaszähler gewechselt hat, „und auch bei der Kupsch, der Schauspielerin, und der Renzi“. Wir verabschiedeten uns mit einem kräftigen Handschlag. Barbara Bollwahn
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