piwik no script img

Berliner SzenenBeim Zahnarzt

Wie im Café

Seit einer Zahntaschenreinigung habe ich panische Angst

Das vergangene Jahr und die ersten Wochen dieses Jahres hatte ich all die Erinnerungen meiner Zahnärztin, zur Durchsicht zu kommen, ignoriert. Seit vor langer Zeit ein Zahnarzt bei mir eine Zahntaschenreinigung gemacht hat, die wie Folter für mich war, habe ich panische Angst. Die Zahnärztin, zu der ich seit vielen Jahren gehe, weiß das, und auch ihre Arzthelferin ist stets voll Rücksichtnahme.

Schließlich vereinbarte ich einen Termin zur Durchsicht und zur Zahnreinigung. 14 Uhr an einem Freitag. „Sie sind der letzte Patient an dem Tag“, versicherte mir die freundliche Zahnarzthelferin am Telefon. „Sie müssen keine Angst haben, wirklich nicht.“ Die Worte beruhigten mich ein wenig, obwohl ic­h befürchtete, ein Backenzahn müsste raus. Als ich zu dem Termin erschien, plauderten wir am Empfangstresen gleich so angeregt, dass ich halbwegs ruhig im Wartezimmer Platz nahm.

Im Behandlungszimmer ergab sich folgende Konstellation: Ich lag auf dem weit nach hinten geklappten Behandlungsstuhl, über der Brust einen Plastiklatz, links neben mir stand die Zahnarzthelferin, rechts neben mir die Zahnärztin, eine temperamentvolle Blondine mit griechischen Wurzeln. Schätzungsweise eine Viertelstunde lang lag ich so da, während wir uns lebhaft über unsere Jobs unterhielten, das Fernsehen und die Flüchtlinge, als säßen wir in einem Café, nur dass ich mir vorkam, als wäre ich unter dem Tisch.

Schließlich legte die Zahnärztin los und verkündete bald, der Backenzahn könne noch bleiben. Wieder unterhielten wir uns eine Runde, und die Zahnreinigung war wie ein Spaziergang. Die Prozedur dauerte eine gute Stunde. Insgesamt war ich zwei Stunden in der Praxis. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, heißt es ja, aber das galt beim Zahnarzt diesmal nicht. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen