Berliner Szenen: T9
6 für ein O
Ich schreib’ne SMS an eine, der ich so lange nicht mehr geschrieben hab, dass ich unsicher bin, ob sie noch weiß, wer ich bin. Aber ich hab an sie gedacht und ihr dies geschrieben. „Schön“, simst sie zurück. „Aber wer bist du?“ – „Oh“, denk ich enttäuscht. Vielleicht hab ich ja vergessen, meinen Namen drunter zu setzen. Ich schau nach, und da lese ich: „Liebe Grüße, Koex“.
T9! Ich schnaufe, so laut, dass die neben mir im U-Bahn-Sitz aufschaut, ihr Computerspiel unterbricht. Finde ich gut so; es ist ein blödes Spiel. Dabei kenne ich es gar nicht selbst; ich seh’ es nur immer auf Handys von anderen, Handys, die nicht prähistorisch sind so wie meins. Meins hat keine Spiele, keine Musik, kein E-Mail-Abrufen von unterwegs, kein nichts.
Meins hat nur T9, text on 9 keys, sehr hilfreich; ich muss nur „5639“ drücken, damit da „Joey“ erscheint: 5 für das J, 6 für das O, 3 für das E und 9 für das Y. Die Hälfte davon hat T9 auch korrekt hingekriegt, dann plötzlich meinen Namen vergessen, aber doch ganz hilfreich’nen Ersatzvorschlag gemacht. Koex. Ich weiß schon, warum ich intelligente Technik nicht mag.
„Joey“ tippe ich noch mal und schon wieder macht T9 ein „Koex“ da draus. Ich schalte es ab und muss jetzt ein Mal die 5 drücken fürs J, das ist nicht schlimm; drei Mal die 6, M-N-O, das ist schön blöder; zwei Mal die 3, D-E, erträglich; aber beim Ypsilon vermach ich mich doch, W-X-Y-Z. „Joez“ steht da jetzt.
„Egal“, sag ich. Die neben mir schaut wieder auf, aber auch das ist egal; ich drück auf Senden.
„Leon ich nicht“, kommt es zurück.
„Leon?“, überleg ich, und dann plötzlich hab ich es: 5366, „Leon“ statt „Kenn“, T9 am Werk. Super, denk ich, denn meckern über T9 ist doch’n guter Anlass, ’ne alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Aber statt das zu tippen, ruf ich dann doch lieber einfach an. Joey Juschka
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