Berliner Szenen: Besuch aus Bayern
Staubsaugen
Herr N. hatte geschrieben, er sei in Berlin mit seiner Frau. Er ist mein Vermieter und wohnt in Bayern. Wir verstehen uns gut. Er schimpft nicht, wenn die Miete zu spät kommt, manchmal schickt er lustige Bilderwitze.
Da ich länger keinen Besuch hatte, sah meine Wohnung nicht so gut aus. Komischerweise bin ich genauso unordentlich wie früher als Kind. Überall lagen Sachen herum. Es gab kaum freien Platz; Küche, Bad und Balkon sahen eher schlecht aus. Staub gesaugt hatte ich zuletzt vor Monaten.
Ich besitze zwar einen Staubsauger, hasse aber sein Geräusch und denke auch, es ist schlecht für die Umwelt. Vermutlich spare ich auch ein, zwei Euro pro Jahr an Strom. Nicht zu saugen, ist meine Geizoase. Deshalb fege ich lieber den Teppich, der oft sandig ist, da ich meine Straßenschuhe nur zum Schlafen ausziehe, genieße das Staubsaugen aber auch sehr, da ich es so selten mache. Der Tisch ist auch nicht besonders sauber. Überall liegen Tabakkrümel, Blättchen, Aschereste. Erstaunlich, wie viel mit der Zeit so zusammenkommt.
Beim Aufräumen kam ich mir vor wie ein Held aus einer Geschichte von Haruki Murakami und hörte dabei Radio. Alle Helden von Murakami sind ordentlich und treiben Sport. Im Radio erzählte Michael Rutschky aus seinem Leben. Der Schriftsteller hat eine angenehme Stimme. Ich saugte und wischte, schmiss Sachen weg und verschob sinnlose Dinge. Die Haustür klingelte, ich drückte den Öffner und in der Zeit, in der mein Vermieter die Treppen hochging, vollendete ich den Abwasch.
Er stand an der Tür mit seiner Frau. Sie überreichten mir einen Präsentkorb mit Wein, Schnaps und Salzstangen. Ich schenkte ihm einen Bierkrug aus den Sechzigern mit Kreuzberg-Wappen. Dann gingen wir in ein Café, um die Dinge zu bereden. Detlef Kuhlbrodt
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