Berliner Szenen: ARZTBESUCH MIT HINDERNIS
Lärmbelästigung
Um sieben fangen die Handwerker in der Nebenwohnung mit Renovieren an. Es klopft, laut und rhythmisch, der Bohrer kreischt. Das geht schon seit zwei Wochen so. Kurz versuche ich, wieder in den Schlaf zu finden, dann stehe ich auf.
Witzig – dass die Alltagsgeräusche, die mich sonst oft stören, der Verkehr von der Straßenkreuzung, die U-Bahn, plötzlich ganz leise scheinen, wenn in der Nebenwohnung renoviert wird.
Später treffe ich einen der polnischen Handwerker im Flur. Es ist, glaube ich, der Chef. Ich sage, dass mich der Lärm wahnsinnig macht und dass es doch ein bisschen früh sei, wenn sie schon um sieben loslegen. Er entschuldigt sich und sagt, das Schlimmste sei schon überstanden. Ich bin sofort versöhnt, weil er so nett wirkt.
An arbeiten ist sowieso nicht zu denken, also fahre ich gleich zum Arzt in Wilmersdorf, mit dem Rad, das gerade repariert worden war. Es ist heiß. Auf halber Strecke, kurz vor der CDU, explodiert mein Hinterreifen, und ich fahr auf der Felge. Die Reparateure hatten ihn wohl zu sehr aufgepumpt. Ich lasse das Fahrrad stehen und gehe zu Fuß weiter bis zur Wilmersdorfer Straße. Schnell noch eine Zigarette, dann nichts wie hinein in die gute Stube. Die Sprechstundenhilfe weist mich ab, weil kein Foto in meinem Krankenkassenausweis ist. Alle Fotoanfragen der AOK hatte ich ignoriert, weil ich dagegen bin. Ich würde ohne Probleme einen neuen Krankenkassenausweis bei der AOK bekommen, sagt die Sprechstundenhilfe. In der U-Bahn werde ich zum Glück nicht erwischt. Bei der AOK ist es super. Die Mitarbeiterin gibt mir einen Zettel, auf dem steht, dass ich tatsächlich krankenversichert bin, und fotografiert mich mit einer kleinen Lumix. Da ich das Foto nicht sehe, stört es mich nicht. Zu Hause sind die Handwerker immer noch am Hämmern. Aber nicht mehr ganz so laut.
DETLEF KUHLBRODT
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