Berliner Szene: Offene Klebestreifen
Deckenkauf
Ich steh im Laden, find aber nicht, was ich im Internet gesehen hab:’ne Decke für 20 Euro. „Haben Sie die nicht?“
„Modell, Name, Nummer?“ – „Uh. Keine Ahnung.“ – „Tja“, sagt die Verkäuferin, guckt aber trotzdem nach. „Ich glaub, die, die Sie meinen, ist grad aus.“
Das find ich blöd, denn ich brauch heute’ne Decke, ganz unbedingt. Und weil das so ist, kauf ich eine für doppelt so viel, wie ich ausgeben wollte. Zurück zu Hause schau ich wieder ins Internet, und da seh ich’s: den kleinen roten Punkt neben der billigen – nicht vorrätig in der Filiale, wo ich grad war. Aber es gibt ja noch andere Filialen, und bei denen blinkt’s grün. Ich überleg kurz, dann ruf ich da an, lass zurücklegen und schwing mich noch mal aufs Rad, bring die teure Decke zurück.
„Der Klebestreifen an der Packung ist aber offen!“, meckert die Verkäuferin.
„War so“, sag ich, aber sie schaut mich nur umso böser an. Ich zeig auf den Kassenzettel. „Vor grad mal dreißig Minuten gekauft! Was soll ich denn so schnell so Schlimmes gemacht haben mit ihr?“
Das weiß sie zwar auch nicht, meckert aber trotzdem noch mal, bevor sie mir mein Geld zurückgibt und mich anschaut dabei, als wär’s ihr eigenes.
Ich seufze, radle mir den Frust weg über ihren gnädigen Blick, radle zu der Filiale, wo die 20-Euro-Decke für mich zurückgelegt ist. Als die Verkäuferin sie mir reicht, seh ich’s: Der Klebestreifen an der Packung ist offen.
„Der Klebestreifen an der Packung ist aber offen“, sag ich.
„Ach“, sagt sie. „Das macht doch nichts.“
Ich denk an schlimme Sachen, die man mit’ner Decke machen kann, und hier im Laden liegt die bestimmt schon länger als 30 Minuten. Aber dann kauf ich sie einfach, denn eins hab ich zackig geschnallt: Offene Verpackungen sind nur dann schlimm, wenn man was zurückgeben will. Joey Juschka
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