Berliner Szene: Fluchen
Nach der Nachtschicht
Ja, ich gebe es zu: ein- bis zweimal im Jahr leiste ich mir ein Taxi. Einmal, wenn ich von der Nachtschicht im Rundfunk komme, das andere Mal spontan. Letzte Woche war es wieder so weit. Eine Bekannte und ich saßen vor dem Elefanten am Heinrichplatz. Überwältigt hatte ich ihren Forschungen über angolanische Musik und Tänze gelauscht und mich für eine Vollidiotin gehalten dafür, von alldem bisher fast nichts gewusst zu haben. Danach konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Ewigkeiten auf einen Nachtbus zu warten. Also war ich zu einer meiner ehemaligen Lieblingsbars in die Ohlauer Straße spaziert, um mir einen letzten Cremant zu genehmigen. Auf die alten Zeiten.
Am Kottbusser Damm hielt ich das Taxi an, ausgerechnet ein Großraumwagen. Für mich als einzige Person? Nun gut, ich stieg vorne ein, was ich sonst auch nie tue. Sehr komfortabel, die Aussicht bestens.
Der Fahrer nimmt die Autobahn. Er kommt gerade vom Essen, denn, ja klar, er hält sich an den Ramadan. Auch so ein Thema, über das ich viel zu wenig weiß. Wir beginnen gerade, ein wenig zu plaudern, da taucht vor uns plötzlich ein Kleinbus auf, kein VW, kein Ami-Schlitten. Aber das breite Rückfenster mit der Flagge der Konföderierten bespannt. Ohne nachzudenken, fange ich augenblicklich an, laut zu fluchen und wild mit beiden Mittelfingern in Richtung des anderen Autos zu gestikulieren. „Der verdammte Rassist!“, rufe ich mehrmals. Vielleicht ist es besser, dass er eine andere Ausfahrt nimmt.
Den Taxifahrer habe ich irritiert, das Gespräch stockt. Vor meiner Haustür angekommen, bedanke ich mich kleinlaut. Und bin ihm insgeheim unendlich dankbar, dass er mich einfach nur sicher nach Hause gefahren hat. Aber dafür finde ich keine passenden Worte.
Franziska Buhre
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