■ Berliner Spaßguerilla gegen Bundeswehrgelöbnis: Soldaten sind Herumschwörer
Berlin soll wieder Knobelbecherhauptstadt werden: Am Nachmittag des 31. Mai will die Bundeswehr vor der Kulisse des Charlottenburger Schlosses mit 500 Rekruten ihr erstes öffentliches Gelöbnis abfeiern. Bislang waren die Olivgrünen dabei lieber unter sich in der Kaserne geblieben – 1995 war ein geplantes Gelöbnis vor dem Brandenburger Tor von der Hardthöhe wieder abgesagt worden, weil massive Gegendemonstrationen befürchtet wurden. Nun, da Berlin mit Jörg Schönbohm (CDU) einen Exgeneral als Innensenator hat, will die Bundeswehr es endlich wissen.
So intensiv wie noch nie mobilisiert jetzt die Berliner Kampagne gegen Wehrpflicht wider den feierlichen „Schwur auf Treue und Tapferkeit“. Etwa mit Spaßguerilla: Am Pfingstsamstag zog eine kostümierte SoldatInnenschar samt Holzgewehren und Papp-Panzern durch die Wilmersdorfer Straße, eine der größten Einkaufsstraßen Berlins. Das mobile Gelöbnis („auf Gedeih und Verderb bis zum Totumfallen“) wurde von eigens angeheuerten Chaoten begleitet. Die in blaue Müllsäcke gekleideten Störer beschimpften die Umzügler und bewarfen sie mit Wasserbeuteln („Ha-zwei-O, Bundeswehr k.o.“).
Bis auf wenige sympathisierende Äußerungen („Bundeswehr ist Scheiße“, „Das Militär brauchen wir nicht mehr“) sowie einige Lacher hatten die AntimilitaristInnen es mit verbalem Berufsberlinertum zu tun. Besonders Grüppchen älterer Damen wünschten sich die Chile-Lösung und hätten „das Pack“ am liebsten „ins Olympiastadion“ gesperrt. Das seien „Hottentotten“, aus der Irrenanstalt Entlassene, die wollten den Staat kaputtmachen, meinten andere. Immer diese „totalen Träumer“, diese „zu großen Idealisten“: Die würden doch „als erste nach der Armee rufen, wenn uns der Russe überrennt oder der Pole“. Überhaupt werde zuviel demonstriert und zuwenig gearbeitet heutzutage, so eine Rentnerin: „Es gibt doch keinen Tag mehr, wo nicht irgendwo Aufruhr ist.“ Traurig sei es, wie sich die Jugend entwickle, meinte ein Mittfünfziger: „Die können ruhig englisches Rindfleisch essen, da ist nichts mehr zu retten.“
Die nächste Wahnsinnsaktion ist schon für morgen vorbereitet: ein „Gartenzwerg-Gelöbnis“. Die Demonstration gegen das Originalgelöbnis findet übrigens am kommenden Freitag um 13 Uhr statt. Hans-Hermann Kotte
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen