Berliner Senat will Bahn-Monopol brechen: Junge-Reyer zügelt die S-Bahn
Die Verkehrssenatorin erhöht den Druck auf die S-Bahn. Nach 2017 sollen Wettbewerber auf einigen Teilstrecken unterwegs sein. Ob das die BVG ist oder ein Konkurrenzunternehmen, bleibt weiter offen.
Der Senat will das Monopol der S-Bahn in Berlin brechen. Dafür stellte Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Donnerstag mehrere Möglichkeiten vor: Das Land könnte die Fahrzeuge kaufen, es könnte auch eine Teilstrecke wie die Ringbahn offen ausschreiben oder an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) übergeben. Unabhängig davon möchte Junge-Reyer auch die "Übertragung regionaler Schienenverkehrsnetze auf die Länder" erleichtern - also das Schienennetz übernehmen. Dazu müsste allerdings das Bundesrecht geändert werden.
Das Schienennetz gehört derzeit der Bahn, genau wie die Fahrzeuge. Berlin und Brandenburg zahlen derzeit jährlich gut 265 Millionen Euro, um den S-Bahn-Verkehr zu bestellen. Hinzu kommen die Fahrkarten-Einnahmen.
In der Vergangenheit hatte das Land nur mit der Deutschen Bahn verhandelt, zu der die S-Bahn gehört. Konkurrenten wurde nicht berücksichtigt. Diese bevorzugte Position der Bahn ergibt sich aus zwei Faktoren: Die Bahn gehört dem Bund, ist also ein Staatskonzern. Außerdem hat nur die Bahn die passenden Fahrzeuge: Das S-Bahn-Netz in Berlin wird mit Gleichstrom betrieben, in die Tunnel passen nur relativ kleine Fahrzeuge, die Brücken sind auf eine bestimmte Achslast ausgelegt. Die Fahrzeuge, die hier fahren, müssen also eigens gebaut werden.
Mit der Wandlung zu einem profitorientierten Konzern mit Börsenplänen nutzte die S-Bahn ihre Monopolstellung, um einen immer größeren Teil der Einnahmen für den Mutterkonzern abzuzweigen: Im Jahr 2005 betrug der Gewinn der S-Bahn noch 8,7 Millionen Euro, im Jahr 2008 waren es bereits 56,3 Millionen.
Junge-Reyer will mit ihren drei Optionen dieses Monopol brechen. Wenn ein Teil der Strecken von einem privaten Anbieter oder von der BVG betrieben werden soll, braucht es allerdings ein paar Jahre Vorlauf, um die nötigen knapp 400 Wagen zu kaufen. Dies würde nach Schätzung der Verkehrsverwaltung 600 Millionen Euro kosten. Eine Ausschreibung des gesamten Netzes mache dagegen keinen Sinn, sagte Junge-Reyer: So viele Wagen könnten bis zum Auslaufen des derzeitigen Vertrages im Jahr 2017 nicht gebaut werden. Der Auftrag würde dann automatisch an die Bahn gehen, weil nur die genug Fahrzeuge hat.
Die Option, dass das Land die S-Bahn-Wagen kauft und dann nur noch einen Betreiber sucht, hätte den Vorteil, dass man den Betreiber schneller wechseln könnte. Doch die Deutsche Bahn will nicht verkaufen: Das stehe "für uns nicht zur Debatte", sagte Ulrich Homburg, der im Vorstand der Bahn für Personenverkehr zuständig ist. Junge-Reyer sagte, dass "die Frage damit noch lange nicht geklärt ist". Sie setzt auf den Eigentümer der Bahn, also den Bund: "Die Frage des Verkaufs wird nicht allein auf Ebene des Unternehmens entschieden."
Homburg versprach den Fahrgästen, "schnellstmöglich wieder ein akzeptables Verkehrsangebot zu bieten". Junge-Reyer sagte, "das würde ich an Stelle der Deutschen Bahn auch sagen". Sie habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass der Konzern seine Zusagen in den vergangenen Monaten mehrfach nicht eingehalten habe.
Die Verkehrspolitikerin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, bezeichnete eine Teilausschreibung des vorhandenen S-Bahn-Netzes als "ein geeignetes Instrument". CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici verlangte die Nachbesserung des aktuellen Vertrags, der immerhin noch eine Restlaufzeit von knapp acht Jahren hat. Nach Ansicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden Christoph Meyer ist allein die offene Ausschreibung von Teilstrecken realistisch und zielführend.
Die Grünen nannten die geplante Ausschreibung von S-Bahn-Strecken einen ersten richtigen Schritt, der aber nicht ausreiche. Sie beklagten eine kollektive Verantwortungslosigkeit von Bundesregierung und Senat.
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