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■ Berliner SPD stimmt dem Verkauf städtischer Betriebe zuAuf den Spuren von Tony Blair

Nun haben die Berliner SozialdemokratInnen zugestimmt. Das Land wird alle ihm verbliebenen Anteile an dem städtischen Stromversorger Bewag verkaufen. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) verfolgte mit dem Verkauf zwei Ziele: Sie will mit den geschätzten drei Milliarden Mark Einnahmen den Landeshaushalt sanieren. Und sie möchte einen ausländischen Player in die Stadt holen. Kapital und know-how-starke Unternehmen wie die US-amerikanischen und britischen Bewerber für die Bewag sollen die regionalen Energiemonopole brechen.

Mit diesen fiskalischen und wettbewerbspolitischen Hebeln ist der Berliner SPD-Führung ein innerparteilicher Coup gelungen. Gegen den erbitterten Widerstand der Parteilinken, des Gewerkschaftsflügels sowie Teilen der Rechten hat die SPD-Filiale an der Spree Abschied von einem sozialdemokratischen Dogma genommen.

Dem Wolfsgesetz des Marktes wollen sie nicht mehr über staatliche Beteiligungen an Unternehmen beikommen. Der politische Einfluß des Staates soll statt dessen über einen ordnungsrechtlichen Rahmen gewahrt werden: Der Tiger Kapitalismus wird nicht mehr über Aufsichtsratsposten für Minister geritten, er kommt in ein von regulierenden Gesetzen befriedetes Freigehege. Am deutlichsten läßt sich dieser Paradigmenwechsel an Umweltsenator Peter Strieder festmachen. Der ehemalige linke Bürgermeister des Szene- und Problembezirks Kreuzberg hat binnen eines Jahres die Rabulistik des britischen Labour-Chefs Tony Blair übernommen. Es gehe in Wahrheit darum, „von der Staatswirtschaft auch in Westberlin Abschied zu nehmen“, formulierte Strieder. Seine linken Weggenossen werfen ihrer wandlungsfähigen Galionsfigur nun Verrat an sozialdemokratischen Prinzipien vor. Der politbiographische Bruch Peter Strieders symbolisiert einen Konflikt, den die Berliner SPD nun bis hinunter in die Parteiabteilungen auszutragen hat. So deutlich das Votum für den Abschied von Staatsbeteiligungen am Beispiel der Bewag auch ausfiel – die frisch implantierte Position ruft in der Partei heftige Abstoßungsreaktionen hervor. Die Gewerkschafter trauern einem verscherbelten Staatsbetrieb nach. Die Jusos und die traditionelle Parteilinke glauben, sie hätten nur eine Etappenniederlage erlitten. Jetzt geht's lo-hos, der infantile Anheizer für SPD- Bundesparteitage gilt – in Berlin aber in einer weniger fröhlichen Variante. Christian Füller

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