Berliner S-Bahn-Chaos: SPD droht Deutscher Bahn
Wenn das Chaos bei der S-Bahn nicht aufhört, könne die BVG den Laden übernehmen, droht der SPD-Fraktionschef.
Angesichts des S-Bahn-Chaos fährt die Berliner SPD schwere Geschütze auf: Fraktionsführer Christian Gaebler droht der Deutschen Bahn, die S-Bahn zu übernehmen. "Wenn die Bahn einen sicheren, funtionierenden Betrieb nicht gewährleisten kann, wäre es auch kurzfristig möglich, dass die BVG die S-Bahn übernimmt", sagte er der taz. Den S-Bahn-Vertrag müsse man dafür nicht extra auflösen: "Die Bahn hat durch Nicht-Leistung den Vertrag nichtig gemacht."
Am Montag hatte die S-Bahn mitgeteilt, dass bei drei Viertel der Berliner S-Bahn-Züge unverzüglich die Bremszylinder ausgetauscht werden müssen. Grund sind offenbar Wartungsmängel. Bereits Ende Juni hatte das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn rund zwei Drittel der Flotte von der Strecke nehmen müssen, weil Radsätze ausgetauscht werden mussten.
Für die SPD-Verkehrssenatorin Ingebord Junge-Reyer ist eine vorzeitige Kündigung des S-Bahn-Vertrages oder gar eine Übernahme durch die BVG derzeit dennoch kein Thema. "Das ist der Vorschlag eines Abgeordneten. Mit der Frage einer Vertragsauflö beschäftigen wir uns im Moment nicht. Es geht jetzt um Krisenmanagement: Wie bringt man den Betrieb wieder zum Laufen?", sagte ihre Sprecherin Petra Rohland. Ohnehin gäbe es auf der Welt kein Unternehmen, das kurzfristig hunderte S-Bahn-Wägen zur Verfügung stellen könnte.
Interessenten, die die S-Bahn übernehmen möchten, gibt es schon. "Wir würden gerne die S-Bahn in Berlin betreiben", sagt Jörg Kiehn, Pressesprecher der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft. Der Konkurrent Veolia Verkehr äußert sich ähnlich: "da haben wir ein Auge drauf", sagt Anja Smetanin, Pressesprecherin des Unternehmens. Beide Betreiber betonen allerdings, dass ein Fahrzeugpool-Modell eine Entscheidung, sich zu engagieren, erleichtern würde. Das würde bedeuten, dass das Land die S-Bahn-Wagen behält und dem jeweiligen Betreiber zur Verfügung stellt.
Verkehrssenatorin Junge-Reyer setzt allerdings weiter auf eine Verhandlungslösung. Am Mittwoch kündigte sie Nachverhandlungen zum S-Bahn-Vertrag noch für diese Woche an. Dabei wolle der Senat erreichen, dass er seine Zahlungen bei Qualitätsmängeln künftig in unbegrenzter Höhe kürzen kann. Bisher kann er maximal rund 12 Millionen Euro einbehalten. Junge-Reyers Sprecherin geht davon aus, dass die Bahn bei den Verhandlungen Zugeständnisse machen wird. "Die Bahn hat kein Interesse daran, dass wir den Vertrag neu ausschreiben." Regulär läuft der S-Bahn-Vertrag 2017 aus. Bereits am Dienstagabend hatte Junge-Reyer angekündigt, der S-Bahn für September nur fünf Millionen Euro statt 20 Millionen Euro zu überweisen. Begründung: Es fahre auch nur ein Viertel der Züge.
Auch die Bundesregierung übt Druck aus auf den DB-Konzern. "Die Bahn wird offensichtlich ihrer Verantwortung nicht gerecht, dass der Verkehr für die Bürger sichergestellt wird, der reibungslose Verkehr", sagte der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Rainer Lingenthal. Der Betriebsratsvorsitzende der Berliner S-Bahn, Heiner Wegner, sieht seine Mitarbeiter als Opfer der Konzernführung. Er spielt damit auf die Sparmaßnahmen an, mit denen die DB besonders die Berliner S-Bahn lukrativer machen wollte. "Es ist auf Gewinn, auf Rationalisierung und auf Optimierung gedrungen worden. Und das wirkt dann bis zur letzten Schaube und bis zu dem letzten Bremszylinder der Berliner S-Bahn aus."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag