piwik no script img

Berliner Polizei im InternetFriends und Helfer

Die Berliner Polizei überlegt, ob sie Facebook künftig für ihre Arbeit nutzen soll. Datenschützer haben große Bedenken.

Facebook ist das ein, Datenschutz das andere. Bild: dpa

"Bitte teilen" steht über der Facebook-Meldung, es geht um den Fund von Leichenteilen in der Nähe von Neubrandenburg. Über ihren Facebook-Account bittet die Polizei Mecklenburg-Vorpommern ihre dort knapp 10.000 Fans, dem Link zu zwei Telefonmitschnitten zu folgen und ihn sich anzuhören. Wer die Stimme kennt, der solle sich melden - er könne womöglich wichtige Hinweise für die Aufklärung eines Mordfalls liefern.

Was Mecklenburg-Vorpommern seit fünf Monaten in einem Modellversuch erprobt, könnte bald auch die Berliner Polizei in Angriff nehmen: soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter in ihre Arbeit einzubinden. "Wir werden prüfen, welche Art der Beteiligung möglich ist", sagte Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Ziel sei, mit Aufrufen auch jüngere, internetaffine Menschen zu erreichen: "Diesem größer werdenden Personenkreis dürfen wir uns nicht entziehen." Bislang bereite die Polizei aber lediglich eine ergebnisoffene Arbeitsgruppe vor, um auszuloten, inwieweit soziale Netzwerke bei Fahndungen und Vermisstenanzeigen überhaupt helfen könnten. "Es gibt keine Denkverbote", sagte Koppers.

Datenschützer haben jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Praktiken, die andere Länder bereits anwenden. In Niedersachsen etwa hatte die Polizei Mitte Januar ihre personenbezogenen Fahndungsaufrufe via Facebook nach Kritik vom Landesbeauftragten für den Datenschutz, Hans-Joachim Wahlbrink, eingestellt. Der hatte unter anderem kritisiert, dass sich Daten, die auf Facebook-Servern in den USA gespeichert werden, nicht mehr löschen ließen. Am Montag kündigte Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) die Fortsetzung der Praxis an: Die Polizei werde Fotos und Daten künftig auf eigenen Servern speichern und auf ihrer fast 100.000 Fans zählenden Facebook-Seite nur dorthin verlinken. Das aber räume die datenschutzrechtlichen Bedenken nicht aus, sagte ein Sprecher Wahlbrinks der taz: "Inhalte, die im Netz stehen, lassen sich spiegeln. Keiner kann garantieren, dass Daten von Verdächtigen nicht Jahre später noch im Internet kursieren, wenn diese längst rehabilitiert sind."

Gewarnt hatte zuvor schon der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar: "Mich würde vor allem beunruhigen, wenn alle konventionellen "Steckbriefe" unterschiedslos auch ins Internet gestellt würden", schreibt Schaar in seinem Blog. Denn der digitale Zugriff auf solche ließe sich weder zeitlich noch räumlich effektiv begrenzen. Dagegen könne die Polizei ein Fahndungsplakat im Schaufenster leichterdings wieder abhängen.

Derzeit beschäftigt sich die Konferenz der Innenminister der Länder (IMK) mit dem Einsatz von Facebook zu Fahndungszwecken: Deren Facharbeitskreise erörtern nicht nur rechtliche, sondern auch ermittlungstaktische und personelle Fragen. Länder wie Schleswig-Holstein haben angekündigt, die IMK-Beratungen abzuwarten, bevor sie selbst soziale Netzwerke nutzen.

Der Berliner Beauftragte für Datenschutz, Alexander Dix, will sich nicht äußern, bevor die hiesige Polizei konkrete Pläne vorgelegt hat. Verhalten reagierten indessen Grüne und Piraten auf die Überlegungen der Berliner Polizei. "Wir haben nichts gegen verbesserte Strafverfolgung", sagte der Pirat Pavel Mayer. Die Behörden müssten vorher aber genau informieren, wie weit sie mit dieser Maßnahme gehen wollen.

Auf die Suche nach Verdächtigen müsste sich die Polizei dabei gar nicht beschränken: Auch Personalrekrutierung ist möglich. Mecklenburg-Vorpommern suchte via Facebook nach Sachbearbeitern für Internetkriminalität und erhielt immerhin 55 Bewerbungen; vier Bewerber bekamen einen Job. Oder die Berliner nehmen sich ein Beispiel an Stuttgart: Denn dort übt sich die Polizei per Facebook-Seite in verbesserter Kommunikation mit den Bürgern. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Stuttgart-21-Gegnern erklärt die Polizei nun mit Facebook-Meldungen ihre Maßnahmen zum umstrittenen Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!