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Berliner Podcast-FestivalWissen, das klingt

Beim Festival „Beats & Bones“ wurde Forschung fühlbar. Es zeigte, dass Wissenschaft dann am stärksten ist, wenn sie spricht – mit dem Publikum.

Wissenschaft hautnah im Sauriersaal des Berliner Naturkundemuseum Foto: Thomas Rosenthal

Berlin taz | Wie klingt Wissenschaft? Mal flatternd wie eine Fledermaus, die in den Wäldern Costa ­Ricas nachtblühende Pflanzen bestäubt. Mal hektisch-fiebrig wie die vom geheimnisvollen „Tulpenfieber“ erfassten Amsterdamer. Mal knisternd wie die elektrischen Messungen Giovanni Galvanis an Grimassen schneidenden guillotinierten Köpfen. Vor allem klingt Wissenschaft erst dann, wenn man sie zum Sprechen bringt.

Solche Fragen und Probleme standen im Zentrum des „Beats & Bones Podcast-Festivals“. Am 19. September verwandelte sich das Museum für Naturkunde in Berlin bereits zum dritten Mal in eine Begegnungsstätte für Hö­rer:in­nen und Ma­che­r:in­nen von Wissenspodcasts. Formate wie „Der Rest ist Geschichte“ (Deutschlandfunk), „Spektrum“ (detektor.fm) und natürlich der hauseigene, hörpreisgekrönte Podcast „Beats & Bones“ brachten sie vom Ohr auf die Bühne.

Das Publikum war so divers wie die Themen: Kinder neben Senior:innen, Studierende neben Fachleuten, Menschen mit und ohne Sehvermögen. Wissenschaft wurde erlebbar – als Gespräch, als Show, als gemeinsamer Erfahrungsraum.

Ursprünglich wurde der Pod­cast „Beats & Bones“ während der Pandemie 2020 ins Leben gerufen, als das Museum geschlossen bleiben musste, die Exponate aber trotzdem erfahrbar bleiben sollten. Heute, fünf Jahre und viele Folgen später, erreicht das Format auf Youtube über 100.000 Abrufe, auf Podcastplattformen von Spotify bis Podigee zählt es mehr als 1.000 Abonnent:innen.

Auch medienwissenschaftliche Studien untermauern anhaltend positive Trends auf dem Podcastmarkt – auch innerhalb des Subgenres der Wissens- und Bildungspodcasts. Pod­casts ziehen zunehmend das Interesse von Unternehmen wie Forschung auf sich. Laut ARD/ZDF- und Podstars-Erhebungen von 2024/25 hört mindestens ein Viertel aller Deutschen ab 14 Jahren regelmäßig Podcasts. Ob beim Sport, beim Kochen, im Auto oder in Öffentlichen Verkehrsmitteln.

„Safe Spaces“

Gerade weil Podcasts Alltagsbegleitung und Entdeckungsplattformen, gar ja sogar „Safe Spaces“ für vertrauenswürdige, wie auch streitbare Produkte sind, scheinen sie besonders für die Generation Z so attraktiv.

Diese Entwicklung ist alles andere als selbstverständlich. „Science-Casts“ bewegen sich in mehreren Spannungsfeldern: zwischen seichter Unterhaltung und anspruchsvoller In­for­ma­tions­ver­mitt­lung, exklusiven akademischen Anerkennungsmechanismen und einem staatlich oder auch gesellschaftlich breiter gefassten, doch kaum definierten Bildungsauftrag. Der lässt sich auch aus der Freiheit der Wissenschaft im Grundgesetz ableiten.

Zwischen Talk, Quiz, Lese- und Showeinlagen sowie Publikumsfragen erzählten Podcastende und Forschende wie etwa die Verhaltensbiologin Theresa Schabacker von außergewöhnlichen, spannenden wie prekären Arbeitsbedingungen, von psychisch-mentalen Belastungen, fehlender Finanzierung, gestrichenen Fördermitteln und bedrohten Projekten – Themen, die derzeit als allgegenwärtiger Abgesang das mediale Bild von Wissenschaft spiegeln.

Eindeutig überwogen an diesem Abend Zuversicht, Passion, Freude und vor allem Wille zur Aufklärung sowie kritischer (Selbst-)Reflexion.

Die Hosts und Ex­per­t:in­nen gaben transparente Einblicke in Finanzierungen, Sponsoring, Fehlerkultur, redaktionelles ­Making-of. Und sie vermittelten authentisch ihre Gefühle, die sie im Arbeitsalltag zum Skripten, Preparieren, Recherchieren, Interviewen und Mikroskopieren motivieren.

Zwischen Dinosaurierskeletten drängte sich dann vor allem eine Frage auf: Woran sich künftig der „Erfolg“ von Forschung bemessen wird, hängt entscheidend davon ab, wie gut sie sich ihrer Anpassungsfähigkeit an populäre Formen von Wissenskommunikation und -konsum anpassen kann.

„Warum gruseln wir uns?“

Oder mit den Begrüßungsworten des Museumsdirektors Prof. Johannes Vogel gesagt: „Wissenschaft muss sich mehr bemühen zu kommunizieren. Nicht zuletzt, weil sie auf Steuermittel angewiesen ist.“

Wie sich kreative, gegenwartsrelevante Erzählweisen von Geschichte mit ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung verbinden lassen, demonstrierte eindrucksvoll der Dlf-Podcast „Der Rest ist Geschichte.“

Dort wurde die Frage „Warum gruseln wir uns?“ facettenreich beleuchtet – als Genre, als psychosoziales Phänomen. Mit einer Mischung aus Nahbarkeit und Tiefgang laden die Podcastenden bewusst dazu ein, sich auch über die einzelne Folge hinaus mit den besprochenen Themen und weitergehend deren Quellenbeständen und Sekundärliteratur aus­ei­nan­derzusetzen und darüber zu informieren.

Pod- und Videocasts, Workshops und Festivals eröffnen hybride Zugänge zu einem zirkulären Verstehen, das hören, sehen und erleben verbindet.

Sie bauen Brücken zwischen Wissensobjekten und -subjekten, zwischen Ex­per­t:in­nen und Laien. Open Science und Citizen-­Science verändern die Außenwahrnehmung und Selbstverständnis der Wissenschaften.

Sie machen Forschung als prozesshafte, kontextgebundene und fehlbare Praxis sichtbar – und zeigen zugleich, dass wissenschaftliche Arbeit systemisch von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten durchdrungen sein kann.

Jenseits reiner Ergebnispräsentation bilden Sciencecasts ein Puzzleteil in einer dialogischen Bewegung. Wissen schafft Dialog.

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