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Berliner Linke in der KriseEx-Genoss:innen wollen weiter der Linksfraktion angehören

Der Linke-Landesvorstand fordert Klaus Lederer und Co. per Beschluss zur Aufgabe ihrer Mandate auf. Für die Ausgetretenen kommt das nicht infrage.

Ex-Genosse: Klaus Lederer im Abgeordnetenhaus Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Die vor zwei Wochen aus der Linken ausgetretenen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sehen weiterhin keine Veranlassung, die Linksfraktion zu verlassen, geschweige denn, ihre Mandate niederzulegen. „Wir stehen in der Verantwortung vor den Menschen in Berlin, die auf eine starke und handlungsfähige linke Fraktion angewiesen sind“, teilten die ehemaligen Se­na­to­r:in­nen Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Sebastian Scheel, Ex-Linksfraktionschef Carsten Schatz und der Haushaltsexperte Sebastian Schlüsselburg am Mittwoch mit.

Vorausgegangen war am Dienstagabend ein Beschluss des Linke-Landesvorstands, in dem die fünf Ex-Genoss:innen unmissverständlich aufgefordert wurden, Platz zu machen für Nachrücker:innen. „Wer für die Linke gewählt wurde, sollte nach dem Austritt aus der Partei konsequenterweise auch das Mandat zurückgeben“, so die Landesvorsitzenden Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer. Das sei „ein Gebot der Fairness und des Anstands“.

Der Landesvorstand beruft sich mit seiner Forderung wiederum auf einen Parteitagsbeschluss aus dem November 2023 als Reaktion auf die Abgänge der Wagenknecht-Getreuen. Nun soll er auch auf die im Streit um die Verharmlosung antisemitischer Positionen in der Partei ausgetretenen Funk­ti­ons­trä­ge­r:in­nen Anwendung finden. Die reagierten gelassen. In der gemeinsamen Stellungnahme nannten sie die Aufforderung zur Mandatsaufgabe „erwartbar“.

Beschluss verpflichtet zu nichts

Tatsächlich hatten prominente Mitglieder des Landesvorstands aus dem Lager der „Bewegungslinken“ wie die Vize-Landeschefin und langjährige Lederer-Gegnerin Katalin Gennburg von Beginn an für entsprechende Rücktritte getrommelt. Mit Erfolg. In der Berliner Linken hätten „die Stimmen, die auf vermeintlich linken Bewegungspopulismus setzen und die Partei und Fraktion zu deren Transmissionsriemen machen wollen“, eben schon seit längerem „die Oberhand gewonnen“, so Sebastian Schlüsselburg.

Anders sieht es in der Linksfraktion des Abgeordnetenhauses selbst aus. Hier stehen weitaus mehr Abgeordnete nach wie vor hinter dem pragmatischeren Kurs der fünf ausgetretenen „Regierungslinken“. Dabei darf es ohnehin als ausgeschlossen gelten, dass diese auf ihr Mandat verzichten, nur weil eine Partei, der sie nicht mehr angehören, das von ihnen fordert. Der entsprechende Beschluss verpflichtet sie jedenfalls zu nichts.

Bleibt die Frage, ob Lederer, Breitenbach, Scheel, Schatz und Schlüsselburg, wie von ihnen präferiert, weiter Teil der Fraktion bleiben. Dem Vernehmen nach ist sich die Fraktion hier uneinig. Zumal die Sorge umgeht, dass bei einem unfreiwilligen Rauswurf weitere Abgeordnete, die Lederer und den anderen nahe stehen, Partei und Fraktion verlassen und „der Laden komplett auseinanderfliegt“. Wie es heißt, will sich die Fraktion mit einer Entscheidung noch bis zu drei Wochen Zeit lassen.

Austritte auch in den Bezirken

Die Austrittswelle nach der Auseinandersetzung über Antisemitismus in der Linken hat unterdessen auch die Bezirksebene erreicht. So erklärten in der vergangenen Woche Friedrichshain-Kreuzbergs Sozialstadtrat Oliver Nöll und der Co-Chef der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg, Christian Petermann, der Partei nicht länger angehören zu wollen.

Auch die „Amts- und Man­dats­trä­ge­r:in­nen auf bezirklicher Ebene“ wie Nöll und Petermann wurden nun vom Linke-Landesvorstand aufgefordert, sich zurückzuziehen. Die Bezirksvorstände und -verbände sind angehalten, entsprechende Beschlüsse wie auf Landesebene zu fassen. Allein, auch diese Beschlüsse wären für die Ex-Genoss:innen nicht bindend.

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