Berliner Grüne setzen Parteitag fort: Recycling beim Parteivorsitz
Nachdem am Samstag Tanja Prinz als Vorsitzkandidatin scheiterte, soll Mittwochabend Ex-Landeschefin Nina Stahr erneut die Grünen-Führung übernehmen.
K aum drei Tage nach dem von Fassungslosigkeit und Tränen begleiteten und nach der gescheiterten Vorstandswahl abgebrochenen Parteitag gibt es also bei den Grünen eine Ersatzvariante: Für den Realo-Flügel soll statt der am Samstag dreimal durchgefallenen Tanja Prinz die Bundestagsabgeordnete Nina Stahr zeitweise in die Doppelspitze neben Philmon Ghirmai vom linken Parteiflügel rücken. Die Umweltpartei setzt so auf Recycling auch beim Personal – Stahr war bereits von 2016 bis 2021 Landesvorsitzende und bildete mit Werner Graf, heute Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, eine erfolgreiche Doppelspitze. Ihre Wahl bei der Fortsetzung des Parteitags am Mittwochabend gilt daher als sicher.
Auch, dass Stahr ihr Bundestagsmandat behalten will, soll kein Hindernis dabei sein, sie bis zum nächsten Parteitag im Mai erneut zur Vorsitzenden zu wählen. Eigentlich schließt Paragraf 18, Absatz 5 der Parteisatzung Parlamentarier und Regierungsmitglieder von Vorstandsämtern aus. Deshalb hatten Stahr und Graf auch die Doppelspitze geräumt, nachdem sie bei der Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl 2021 Parlamentsmandate gewonnen hatten. Auch da aber gab es rund zwei Monate Übergangszeit zwischen den Wahlen Ende September und dem Rückzug aus dem Amt beim Parteitag Anfang Dezember. Jetzt allerdings geht es um einen mehr als doppelt so langen Zeitraum.
Was den führenden Grünen die Entscheidung für Stahr trotz anderslautender Satzung leichter gemacht haben dürfte: Die 41-Jährige könnte bei einer möglichen Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin am 11. Februar ohnehin ihr Mandat verlieren. Denn Experten sagen voraus, dass bei einer zu erwartenden geringeren Wahlbeteiligung als 2021 einige der insgesamt 29 Berliner Bundestagsmandate wegfallen – und Stahr hat 2021 den letzten den Grünen zustehenden Sitz erhalten.
Wenn Stahr aber dann kein Parlamentsmandat mehr hat und es bis Mai schafft, mit Ghirmai als Co-Chef die Partei zu beruhigen, dürfte es nicht bei der vorübergehenden Vorsitzlösung bleiben, von der jetzt die Rede ist. Auch (Personal-)Recycling lässt sich auf Dauer anlegen – und wertvolle Rohstoffe zu verschwenden, kann sich nicht bloß die Welt, sondern auch der grüne Landesverband nicht leisten.
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