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Berliner Flughafen-Desaster„Die Planer wussten es vor Monaten“

Planerin Hannelore Ellersiek über die Vorhersehbarkeit der Pannen in Berlin, warum man menschlichen Schwächen vorbeugen muss und sie linken Protest vermisst.

Wer stand oben und hatte die Verantwortung für das Planungschaos? Bild: dapd
Interview von Johannes Kulms

taz: Frau Ellersiek, Sie haben in einem offenen Brief gegen das Flughafenchaos protestiert. Was hat Sie dazu bewegt?

Hannelore Ellersiek: Aufgrund der Medieninformation habe ich den Eindruck, dass am Flughafen getäuscht wird. Die Probleme kommen nicht wirklich auf den Tisch, es wird nicht erklärt, warum sie entstanden sind und welche sicherlich nicht unerheblichen Schäden für den Steuerzahler damit verbunden sind.

Ist das symptomatisch für derartige Großprojekte?

Die sind häufig politisch gewollt. Um die Zustimmung zu sichern, wird zunächst versucht, die Kosten und Termine nach unten zu drücken. Oftmals ist da schon klar, dass das nicht haltbar ist. Dass bei einem Großprojekt etwas schieflaufen kann – das Risiko ist immer relativ groß. Aber dass die Beteiligten viel zu lange den Mund halten und damit den Schaden noch potenzieren, finde ich nicht in Ordnung.

Ist das bei der Verstrickung von Politik und Bauwirtschaft nicht unausweichlich?

Nein, es ist nicht unausweichlich. Es passieren zwischendurch ganz viele gruppendynamische Prozesse. Meistens versuchen die Hauptverantwortlichen auch noch, die anderen unter Druck zu setzen nach dem Motto: „Jetzt haltet endlich die Klappe, wir schaffen das!“ Niemand traut sich, etwas zu sagen, das hat mit menschlicher Schwäche zu tun. Es liegt aber sicherlich auch an der Strukturierung solcher Projekte. Mir ist nicht klar, wer bei dem Bau des Flughafens derjenige gewesen ist, der die obere Verantwortung getragen hat.

Bild: privat
Im Interview: HANNELORE ELLERSIEK

Die Diplomingenieurin war u. a. am Bau der israelischen Botschaft in Berlin beteiligt. Seit 2006 betreibt sie das Ellersiek Projektmanagement, das Management und Controlling von Großprojekten bietet.

Was kann bei Großprojekten helfen, dass Kosten und Termine eingehalten werden?

Wichtig ist, dass es wirklich ganz klare Verantwortungsstrukturen gibt. An deren Fehlen scheitern ganz viele Projekte. Weil nicht klar ist, wer über was informiert werden und wer welche Entscheidung treffen muss. Ein anderer wichtiger Punkt ist: Man muss versuchen, menschlichen Schwächen vorzubauen. Die Leute, die solche Projekte handeln, müssten unemotionaler sein. Sie müssen sachfixiert sein und weniger von persönlichen Vorteilen abhängig. Damit meine ich aber kein Geld. Gerade in dem Moment, wo Politiker beteiligt sind, wird es gefährlich, weil die ja ihr Image in der Öffentlichkeit aufrechterhalten müssen.

Wie merkt man, dass ein Rückstand nicht mehr aufholbar ist?

Bein einem derart großen Projekt wie dem BER haben die Planer – das garantiere ich Ihnen – schon sechs Monate im Voraus gewusst, dass der Eröffnungstermin nicht mehr zu halten ist. Die Frage ist nur: Was ist dann passiert? Haben sie alle anderen Beteiligten informiert und sind gezwungen worden, den Mund zu halten? Oder haben sie selber den Fehler gemacht und gesagt, „Oh Gott, wenn ich jetzt etwas sage, dann gibt es eine Katastrophe“, und daher nichts gemacht?

Von linken Gruppen gab es nur wenige Reaktionen auf das Desaster. Wundert Sie das?

Ja. Erst protestieren die Leute wegen des Lärmschutzes, dann gegen die zusätzlichen Nachtflüge in Tegel. Mir ist aber bisher keine Gruppe bekannt, die jetzt Druck wegen der Verwendung von Steuergeldern bei diesem Projekt machen. Und darauf, dass die Verantwortlichen auch haftbar gemacht werden.

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4 Kommentare

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  • HR
    Helga Röhle

    Der BVBB weist seit den 90-er Jahren auch auf die Verschwendung von Steuergeldern hin. Ein Beispiel:

    BVBB fordert von Wowereit und Platzeck Garantieerklärung wegen drohender BER-Insolvenz (Samstag, den 26. Mai 2012)

    "Unstrittig ist, dass die Kosten für das Flughafen-Projekt bereits aus dem Ruder gelaufen sind und die Eigentümer, die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund, Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe nachschießen müssen. Schon warnen die ersten Politiker vor einer Insolvenz der Flughafengesellschaft. Denn unter Berufung auf Auskünfte der EU und des Finanzminister von Brandenburg, Markov (Linke), können Länder und Bund nicht ohne vorherige Genehmigung der Wettbewerbshüter aus Brüssel weiteres Geld nachschießen. Sollten diese ihre Zustimmung verweigern und die Banken die Gewährung weiterer Kredite ablehnen, droht der Flughafengesellschaft die Pleite bzw. die Veräußerung an einen Dritten."

    http://www.bvbb-ev.de/index.php/de/bvbb-presseinfos/831-bvbb-fordert-von-wowereit-und-platzeck-garantieerklaerung-wegen-drohender-ber-insolvenz.html

  • HD
    Hans Dieter Siekmann

    Wer erinnert sich denn noch an das ICC in Berlin? Da wurden z.B. Simultanübersetzungsanlagen eingebaut, ohne das Türen da waren. Und siehe da, am nächstenTag waren die wieder weg. So was stand nicht in der Presse, glaube ich. wenn ich mich richtig erinnere kosttet der Rohbau letztlich 15mal so viel wie anfangs kalkuliert.

    Bei einer Regierung, die sich rein nach populistischen Erfolgen ausrichtet, anstatt für den Bedarf der Bevölkerung zuständig zu sein, da gilt doch immer:

    Heil dir im Siegerkranz, nimm was du kriegen kannst.

    Das nennen wir dann "Leistunggesellschaft".

    Die Leistungsgesellschaft ist tot. Wann begreifen wir endlich, dass wir nur mit einer "bedarfsorientierten Gesellschaft" unsere Dilemmas verlassen können.

    Aber bislang gibt es wenige Menschen, die sich wirkich wandeln? Und ohne den Wandel des Einzelnen wirds keine gesellschaftlichen Wandel geben!

    Anstatt innere Werte auch aussen zu SEIN, gilt noch viel zu oft: ICH. (und unterstützt wird das moderne (Konsum) -sklaventum. Graus

    P.S.: Bitte ¨ndern. JETZT! danke ...

  • JK
    Juergen K.

    Ist es nicht bezeichnend,

    dass nur "linker Protest" vermisst wird,

     

    Verschwendung von Steuergeldern abzumahnen und Verantwortliche dingfest zu machen ?

     

     

    Sind alle Anderen "per Definitionem" schon

    nicht einmal theoretisch

     

    dazu in der Lage und willig dazu?

  • G
    gustav

    Frau Ellersiek hat vollkommen Recht.

    Großprojekte in Deutschland sind

    a) optisch besonders abstoßend, wenn Sie nicht

    gerade irgendetwas vom Weltkrieg Zerstörtes

    wieder aufbauen

     

    b) mit häßlich Schmiergeldzahlungen, Lohndumping

    und Bankrott der Handwerksunternehmen durch

    kalkulierte Zahlungsverzögerung verbunden

     

    c) immer zu teuer, fast immer unpünktlich

     

    d) und von politischen Nieten unseriös initiiert

    worden, die schon zig andere größenwahnsinnige

    Projekte vermasselt haben

     

    e) bürokratisch hochkomplex

     

    f) sehr häufig unrentabel oder technisch veraltet

     

    g) sehr selten wirklich das notwendigste, um

    dauerhaften Wohlstand, in strukturschwachen

    Regionen mit geringen Einkommen, zu generieren

     

    h) besonders von notorischen Pleitekommunen

    geht die Affinität zum Protzen aus!

    (v.a. jenen die selber auf Transferzahlungen

    angewiesen sind!!!!!!!)

     

    i) Leistungsanreize zum nachhaltigen Wirtschaften

    fehlen völlig

     

    Die Anwohner des Flughafen mochten sogar den

    Fluglärm. Sowas muß einmal erst wieder finden!!!!!!!

     

    Wowereit und v.a. Platzeck haben mit ihren

    Stab wieder die totale ökonomische und soziale

    Dummheit ihrer Partei auf das

    glänzendste bewiesen!! Wowereit hat wenigstens

    in Wissenschaft und Kultur etwas erreicht.

    So sei ihm verziehen. Aber Platzeck, was hat

    der eigentlich Positives erreicht im Verhältnis

    zu den zig Milliarden, die zur Verfügung hatte.

    So unfähig kann man eigentlich gar nicht sein!!!

    Der alte Flughafen von Schönefeld war für seine

    Zeit in Ordnung. Der neue, der noch nicht einmal

    funktioniert, weil die Profis beauftragt haben,

    sieht schon so gnadenlos häßlich und veraltet aus.

     

    Wenn die Leute sich einmal die Flughäfen

    in den Emiraten und Südostasien angeschaut hätten,

    wüßten sie das man mit so einen drittklassigen

    Design kein positives Renommee erreichen kann.

    Da kann man es gleich lassen.

    Es muss ja nicht zu teuer sein, muß aber ästhetische

    Maßstäbe setzen und funktionieren!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Es fehlt entscheidend an Substanz und an dem Wissen,

    wie wertvoll Mrd. € sind.

    Die SPD zumindest in Brandenburg und im Bundestag ist schlicht zu dumm!!! Haut ab!