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Berliner Datenschutzbericht 2012Bedenkliches Standardinstrument

Landesbeauftragter kritisiert zu häufige Funkzellenabfragen und Gesetzesverstöße der Staatsanwaltschaft. und die Benachrichtigung der Betroffenen.

Voller Informationen: der Berliner Datenschutzbericht 2012. Bild: dpa

Der Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix ruft die Staatsanwaltschaft dazu auf, sich bei ihrer Arbeit an die Gesetze zu halten. In seinem am Mittwoch vorgestellten Jahresbericht moniert er bei der Funkzellenabfrage, dass „vielfach die gesetzlich vorgeschriebene Benachrichtigung Betroffener unterblieb“.

Die Staatsanwaltschaft nutzte das Ermittlungsinstrument zum Beispiel bei Autobränden. Dabei wurden alle Handys erfasst, die rund um den Tatort zu diesem Zeitpunkt in einer Mobilfunkzelle eingeloggt waren. Wer sich mit seinem Handy mehrfach in der Nähe von brennenden Autos aufhielt, machte sich verdächtig.

Der Datenschutzbeauftragte hatte stichprobenartig 108 Funkzellenabfragen überprüft, bei denen Millionen Personen in das Raster der Behörden gelangten. Die gesetzlichen Vorgaben wurden dabei regelmäßig missachtet. Die Verhältnismäßigkeit wurde dabei laut Dix meist nicht geprüft. Andere Ermittlungsansätze wurden nicht verfolgt. „Es entstand oft der Eindruck, dass sich die Strafverfolgungsbehörden der Eingriffsintensität von Funkzellenabfragen entweder nicht bewusst waren oder diese missachtet haben müssen“, heißt es in dem Jahresbericht.

In einer Stellungnahme rechtfertigte sich die Staatsanwaltschaft, warum sie die Funkzellenabfrage nicht – wie vorgeschrieben – nur als ultima ratio einsetzt: Die Vorgabe des Gesetzgebers sei „praxisfern“. Außerdem bestreitet die Staatsanwaltschaft, dass der Datenschutzbeauftragte für sie zuständig sei.

Vorschriften missachtet

Der Datenschutzbeauftragte kritisierte insbesondere auch, dass die Betroffenen von der Staatsanwaltschaft nicht – wie vorgeschrieben – benachrichtigt werden. Diese Benachrichtigung hätte den Betroffenen „die Möglichkeit gegeben, die Maßnahmen überprüfen zu können“.

Simon Weiß, rechtspolitischer Sprecher der Piratenfraktion, kritisiert, die Funkzellenabfrage habe sich „in bedenklicher Weise zu einem Standardinstrument entwickelt“. Weiß hat die Hoffnung, das Handeln der Staatsanwaltschaft durch Gesetze und Verordnungen beeinflussen zu können, jedoch noch nicht aufgegeben. Er setzt bei der Funkzellenabfrage auf die „Streichung aus der Strafprozessordnung“. So lange dies nicht erfolge, seien „stärkere Pflichten zur Verhältnismäßigkeitsprüfung festzuschreiben“.

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