Berlinale-Rezension „Midnight Special“: Mit biblischem Unterton
Der US-amerikanische Regisseur Jeff Nichols, Held des Independent-Kinos, dreht mit „Midnight Special“ erstmals einen Science-Fiction-Film.
![Zwei Männer, eine Frau und ein Kind stehen auf einer Landstraße und gucken die Straße entlang. Ein Mann hält eine Schrotflinte. Zwei Männer, eine Frau und ein Kind stehen auf einer Landstraße und gucken die Straße entlang. Ein Mann hält eine Schrotflinte.](https://taz.de/picture/996829/14/65533196-1.jpeg)
Das Etikett „Independent-Filmer“ ist nicht mit viel Glamour verbunden. Aber es steht für eine eigene Handschrift, für Innovation, für „Unabhängigkeit“, im besten Fall für die von dominierenden Geschmäckern und kommerziellen Interessen. „Shotgun Stories“, Jeff Nichols’ Debüt, das 2007 bei der Berlinale lief, war so ein Fall.
Er erzählte von einem Bruderzwist biblischen Ausmaßes mit den Mitteln eines sanften „Mumblecore“-Realismus. Auch in „Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“, stand die Größe der Geschichte – ein Mann fürchtet den Weltuntergang oder ist paranoid, oder beides – im Kontrast zu den erzählerischen Mitteln. Wenn einer wie Nichols einen Science-Fiction-Film dreht, fühlt man sich alarmiert. Sci-Fi braucht oft ein größeres Budget. Heißt: automatisch weniger Unabhängigkeit.
Solche Sorgen stellen sich in „Midnight Special“ als unberechtigt heraus. Nicht nur, dass wieder Michael Shannon mitspielt, auch in einem weiteren Punkt bleibt Nichols sich treu: im „biblischen“ Unterton, den die Vorgängerfilme hatten. Es braucht eine Weile, bis man der Geschichte auf die Spur kommt.
Zunächst sind da zwei Männer, Roy (Shannon) und Lucas (Joel Edgerton), die einen 8-jährigen Jungen (Jaeden Lieberher) entführt haben. Man versteht schnell, dass sie keine Verbrecher sind. Zwiespältig bleibt die Rolle der Sekte, zu der der Junge gehörte, auch jene von FBI und NSA, die den Entführern auf der Spur sind.
12.02., 19 Uhr Berlinale Palast
13.02., 9.30 Uhr Zoo Palast, 11.00 + 21.30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, 12.00 Uhr Friedrichstadt-Palast
Die Plotwendungen eines solchen „Gejagten“-Szenarios mit Motels und Straßensperren sind fast allzu vertraut, aber Nichols hält die Spannung, indem er den gestressten und dann wieder seltsam entschlossenen Reaktionen seiner Figuren viel Platz einräumt. Doch das Rätsel um den Jungen ist schließlich so rätselhaft nicht, und wenn der Film seine Enthüllung beginnt, steht man als Zuschauer bereits mit Blick auf die Uhr im Ziel.
Schade – weil die Schauspieler ihr Bestes im dialogarmen Minimalismus geben. Kirsten Dunstzeigt erneut, wie weit sie sich vom Blondie-Image verabschiedet hat, und Joel Edgerton als eine Art „erster Apostel“ verleiht dem Film den Grad an geerdetem Geheimnis, den man sich für den Rest gewünscht hätte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören