piwik no script img

BerlinFlüchtlinge wieder im Hungerstreik

Am Brandenburger Tor hungern erneut Menschen für ihr Asyl – wie jüngst in Bayern.

Vor einem Jahr traten die Flüchtlinge erstmals in Hungerstreik am Brandenburger Tor (Archiv) Bild: dpa

Wieder sitzen sie vorm Brandenburger Tor, wieder verweigern sie jedes Essen. Am Mittwochnachmittag traten 23 Flüchtlinge auf dem Pariser Platz in den Hungerstreik. Die Szene mutet bekannt an: Bereits vor einem Jahr protestierten auf diese Art Asylsuchende an gleicher Stelle, unter ihnen viele aus dem Iran.

Einer ist auch diesmal wieder dabei: Sadegh Farahani. An seiner Situation habe sich seit dem vergangenen Jahr nichts geändert, sagt der 40-jährige Iraner. „Deshalb bin ich wieder hier.“ Auch diesmal sind es Landsleute Farahanis, die im Schneidersitz und umströmt von Touristen auf dem Pflaster sitzen, dazu Pakistaner, Afghanen und Afrikaner, auch zwei Frauen. Sie haben nur eine Forderung, sagen die 23: die Annahme ihrer Asylanträge.

Damit spitzt sich der Flüchtlingsprotest in Berlin zu. Denn auch auf dem Kreuzberger Oranienplatz protestieren weiter Asylsuchende. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) appellierte am Mittwoch erneut an den Senat, den Bewohnern eine Unterkunft für den Winter zu stellen. Die Suche aber stockt: Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sprach zuletzt zwar von einer „Idee“. Zuerst aber müsse der Bezirk dafür sorgen, dass das Camp aufgelöst wird. Herrmann lehnt das ab: „Erst soll der Senat ein konkretes Angebot machen.“

Die „Idee“ des Senats ist allerdings keine wirkliche Hilfe für den Bezirk: Gedacht ist daran, die Flüchtlinge über die bezirkliche Wohnungslosenhilfe unterzubringen. Eine Sprecherin Czajas bestätigte, dass der Senat nur bei der Unterkunftsuche helfen werde. „Die Finanzierung läge beim Bezirk.“

Am Mittwoch besuchte auch Grünen-Chefin Claudia Roth das Camp. Sie forderte ein humanitäres Bleiberecht für die dortigen Bewohner. „Lampedusa ist kein italienisches Problem, es ist mitten in Berlin“, sagte sie mit Verweis auf die vorrangig aus Italien kommenden Campbewohner.

Die Hungerstreikenden auf dem Pariser Platz gehören dagegen nicht zur aktuellen Bewohnerschaft des Protestlagers, sondern kommen aus Bayern. Einige lebten zwar zu Beginn auf dem Oranienplatz, hatten diesen aber im Frühjahr gen Süden verlassen. Dort organisierten sie im Juni einen Hungerstreik auf dem Münchner Rindermarkt. Nun sind nicht wenige der dort Beteiligten vorm Brandenburger Tor.

Nach dem Protest in München sei ihnen eine Prüfung ihrer Asylanträge versprochen worden, sagt einer der Hungerstreikenden, der Pakistani Ghlam Vali. „Dann aber wurde alles wieder abgesagt. Sie haben uns gezwungen, wieder zu protestieren.“ Bereits am Montagabend hatte die Gruppe ihre Aktion auf einem Plenum auf dem Oranienplatz vorgestellt – und von dort Unterstützung zugesagt bekommen.

Am Mittwoch erscheinen nach und nach Helfer für die Hungerstreikenden. Zu ihnen gehört auch Arash Dosthossein, der im letzten Jahr noch mitstreikte. Sein Asylantrag sei vor zehn Tagen angenommen worden, sagt der Iraner, deshalb unterstütze er diesmal nur. Er verteidigt, dass nicht mehr wie im vorigen Jahr ein Ende von Abschiebungen sowie von Residenz- und Lagerpflicht gefordert wird: „Mit der Anerkennung der Asylanträge ist all das erfüllt.“

Die Polizei erscheint nach mehr als zwei Stunden und erlaubt den Protest, nachdem einer der Flüchtlinge ihn offiziell anmeldet. Drei Tage wolle man die Nahrung verweigern, kündigt Ghlam Vali an. „Wenn dann nichts passiert, müssen wir unseren Protest verschärfen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

18 Kommentare

 / 
  • P
    Philipp

    Hungerstreik seit fünf Tagen, die Flüchtlinge verharren immer noch verzweifelt und völlig ermattet vor dem Brandenburger Tor, und nicht mal die taz hält es für nötig, das medial zu begleiten? Ich bin ziemlich entsetzt.

  • F
    FRUST

    Unser Grundgesetz ist solange in Ordnung,solange das Geld reicht.

    Aber die "Pflanze des Kapitalismus" gedeiht am besten, indem sie andere Planzen verdorren lässt.

    Jetzt, da die "Pflanzen" Wasser brauchen, soll nicht das Großkapital blechen, sondern die Kommunen sollen zahlen.

    Wenn die Welt gerettet werden soll muss Verstand einziehen und die Gier gezügelt werden. F

  • @Fell: Sollte ihre Forderung umgesetzt werden und es verhungern Menschen mitten in Deutschland. Was dann? Machen wir sie dann zu Ehrenbürgern?

     

    Ein Hungerstreik ist das letzte Mittel, wenn den Menschen sonst nichts mehr bleibt um ihre Rechte einzufordern. Ein Staat, der nicht in der Lage ist die Schwächsten Mitglieder zu schützen, verliert seine Legitimität.

     

    @Gast

    Fluchtgründe sind sehr verschieden. In vielen Ländern reicht die Autorität der Zentralregierung nicht über die Hauptstadt hinaus. Gegen wen wollen Sie also genau demonstrieren? Gegen Korruption und Gewalt im Allgemeinen?

    • G
      gast
      @Dhimitry:

      gegen wen demonstrieren?

       

      wie wäre es mal mit den regimen, bei denen die macht der zentralregierung sehr deutlich über die hauptstadt ninausreicht?

       

      und da können sie gut 50% der afrikanischen dazuzählen zzgl. iran

       

      warum nicht mal da anfangen? oder bricht da das weltbild zusammen?

  • C
    CALLAOPINION

    Weiß Claudia Roth noch , dass Sie sich mit dem iranischen Botschafter öffentlich abgeklatscht hat?

     

    Also quasi High-Five mit dem Terror?

     

    Es war Alireza Sheikh Attar , für diejenigen die das nachgooglen wollen, während sie in ihrer 100qm-Altbauwohnung zwischen den IKEA-Möbeln sitzen und sich als Weltretter fühlen!

  • G
    Gast

    Ich glaub mir kommt gleich was hoch, wenn ich noch weiter diese REALOS-Kommentare weiterlese, in dem der - vielleicht letzte - selbstbestimmte Akt von Menschen ohne Papiere von Bourgeoisie-Menschen mit Papieren über kühle & kalte Wirtschaftskalküle Deutschlands/Europas relativiert wird... Und das auf taz... Ich muss die Toi aufsuchen...

  • G
    gast

    oh mann, gehen die mir mit ihren ewigen forderungen und supportern auf den nerv

     

    warum kann ich mich eigentlich nicht erinnern, jemals die roth, den villenbewohner ströbele oder irgendwelche andere "supporter" bei einer aktion vor einer botschaft eines der unrechtsregime der herkunftsländer gesehen zu haben?

     

    ist direkt vor der haustür!

     

    um es mal ganz klar zu sagen: wer sich durch die aufnahme von flüchtlingsströmen als gutmensch fühlen will, aber auf der anderen seite die regimes der herkunftsländer ignoriert oder sogar hofiert ist ein ziemlich bigotter feigling

     

    auch für roths und ströbeles stehen die adressen der botschaften von sudan, iran, uganda etc. im internet

     

    kann mir jemand auch nur einigermaßen plausibel erklären, warum bei 20 npd-dumpfbacken auf dem marktplatz hunderte sich die lunge aus dem leib schreien, aber tausendfache folter und menschenrechtsverletzungen in den herkunftsländern der flüchtlinge vielleicht mal eine pressemeldung pro jahr wert ist?

     

    schämt euch!!!

     

    also, liebe "supporter" und grüne empörungspolitiker - wann treffen wir uns zum gemeinsamen empören und zivilen ungehorsam vor der sudanesischen botschaft?

     

    oder sind empörung, sitzblockaden und anketten an zäune nur irgendwelchen castoren oder ami-geheimdiensten vorbehalten?

  • F
    Fell

    Der Staat darf sich nicht erpressen lassen, also sollen sie meinetwegen doch streiken und hungern.

    Aber nicht wieder auf Steuerzahlerkosten zwangsernähren, lasst sie den Streik mit allen Konsequenzen durchführen, schließlich ist das ihre Entscheidung und damit auch ihre Verantwortung.

    Ich finde es einfach nur abstossend, wie Leute versuchen unsere Gesellschaft zu erpressen um an die Töpfe des sozialen Sicherungssytems heranzukommen, eigentlich Grund genug die Leute jetzt sofort heimzuschicken.

  • C
    CALLAOPINION

    Jetzt fehlt mir ja nur noch der Hinweis auf unsere "geschichtlichen Verpflichtungen" und die Tatsache das Europa "in der Pflicht" steht.

     

    Europa steht in der Pflicht? Na von mir aus.

     

    Deutschland nimmt pro 1Mio Einwohne gemeinsam mit Schweden die meisten Flüchtlinge auf, basta!

    Und Italien hält sich vornehm zurück und bietet Flüchtlingen Geld wenn sie weiterziehen.

    • @CALLAOPINION:

      "Setzt man die Zahl der Asylanträge mit der Einwohnerzahl in Beziehung, liegt Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. In sieben europäischen Staaten, darunter Malta, Schweden und Luxemburg, baten im Verhältnis zur Einwohnerzahl mehr Flüchtlinge um Asyl als in Deutschland."

       

      http://www.proasyl.de/de/themen/basics/basiswissen/asyl-in-deutschland/

      • S
        Statistiken_Lesen
        @haganah:

        Und was hat die Anzahl der Anträge mit der Aufnahme zu tun? Wenn Luxemburg zb. 100% seiner Anträge ablehnt (Extrembeispiel) können sie auch 30 Billionen Asylanträge haben und Deutschland bekommt einen und nimmt den an und hat mehr Flüchtlinge aufgenommen als Luxemburg (sogar unendlich viel mehr).

  • Also wenn der doofe deutsche Staat mir kein Asyl gibt, dann trete ich einfach in den Hungerstreik. Und zwar ganz präsent am Brandenburger Tor.

    Oh Mann...

    • A
      Atmender
      @Horsti:

      Ja und was? Wollten Sie etwas sagen, oder nur Ihre neue Tastatur ausprobieren?

    • B
      Balduin
      @Horsti:

      Sie wissen weder was vom Hunger, noch vom Streik.

      • SH
        Schwarzer Hengst
        @Balduin:

        Flüchlinge die mehrere Tausend Euro für Schlepper übrig haben wissen ganz sicher nichts vom Hunger.

        Und wenn Sie was vom Hungern verstehen würden, wüssten Sie das Hungerstreik ein Fliegenschiss ist im Gegensatz zu körperlicher Vollbelastung ohne Nahrungszufuhr.

        • B
          Balduin
          @Schwarzer Hengst:

          Wer mehrere Tausend Euro zur Verfügung hat, würde sich wohl eher eine eigene Schaluppe für die Überfahrt zulegen, meinen Sie nicht?

      • N
        niudlab
        @Balduin:

        hey, drei Tage nichts essen ist noch nicht einmal ein richtiges Heilfasten. Und was genau wissen Sie von Hunger?

        • R
          Realist
          @niudlab:

          Nix weiss er davon, aber er hat ja immer noch "die Scham ein Deutscher zu sein" wenn ihm mal wieder nix einfällt. Meine Güte Linke - seid doch mal selbstbewusst und zieht euch nicht immer sofort in die antideutsche Ecke zurück - das langweilt! Der Krieg ist 70 Jahre her, hört doch mal auf Deutschsein mit Nazitum gleichzusetzten - das ist auch Rassismus.